Zwischenbilanz AfD in der Politik: So schlägt sich die Alternative für Deutschland bisher in den Landtagen

Berlin - Plötzlich steht eine vollverschleierte Frau im Landtag von Thüringen. Es ist die AfD-Abgeordnete Wiebke Muhsal, die in Schwarz gehüllt und mit einem Nikab über dem Gesicht den Plenarsaal betritt, während die Parlamentarier über Kinderbetreuung debattieren. Die Abgeordnete wird später ihre Aktion als Protest gegen die Vollverschleierung von Frauen begründen. Es sei „der im Stoff gefangenen Frau unmöglich, ihrem Gegenüber von Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch gegenüberzutreten“.
Landtag als Showbühne?
Für die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, ist es ein weiterer Beleg für das, was sie den AfD-Abgeordneten schon lange vorwirft: „Sie nutzen den Landtag nur als Showbühne, haben aber kein Interesse an ernstzunehmender parlamentarischer Arbeit“, sagt sie. Ginge es etwa um akribische Arbeit in den Ausschüssen, trügen die AfD-Abgeordneten oft wenig bei, fügt Rothe-Beinlich hinzu.
In neun Landtage ist die AfD eingezogen: mit Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern in allen fünf neuen Bundesländern. Und im Westen in Hamburg, Bremen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Mit Berlin dürfte am Sonntag ein weiteres Bundesland dazukommen. Anlass genug, auf die bisherige Arbeit, das Auftreten und die innere Verfasstheit der AfD in den Landtagen zu blicken.
Kein großer Wurf in Sachsen
Wer sich etwa in Sachsen die parlamentarischen Initiativen von Anträgen bis hin zu kleinen Anfragen anschaut, sieht, dass die AfD als Oppositionsfraktion hier schon rein zahlenmäßig weniger zustande bringt als die Grünen. Und das, obwohl die AfD 14 Abgeordnete hat, die Grünen hingegen nur 8. Bemerkt sei, dass die Zahl der Initiativen natürlich noch nichts über die Qualität aussagt. Abgeordnete aus anderen Fraktionen beklagen, die AfD-Vertreter in den Landtagen wüssten offenbar oft gar nicht so genau, für was eigentlich das Land zuständig ist und für was die Kommunen.
Problem: Zerstrittenheit der Fraktionen
Was die inhaltliche Arbeit erschwert, ist die Zerstrittenheit einiger AfD-Fraktionen – bis hin zu Auflösungserscheinungen. So ist der AfD von ihren einstmals vier Abgeordneten in der Bremer Bürgerschaft nur einer geblieben. Die anderen drei sind in die neue Partei Alfa gewechselt, die AfD-Gründer Bernd Lucke nach dem verlorenen Machtkampf gegen Frauke Petry gestartet hat. Auch Hamburgs Fraktionschef Jörn Kruse will seitdem die AfD nur noch bedingt unterstützen. „Alles, was da über Familie und Kinder drin steht, finde ich unsäglich und vorgestrig und frauenfeindlich“, sagte er über das Parteiprogramm. Fraktionschef in Hamburg blieb er trotzdem.
Wieder geeint in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg kam es zur Spaltung, Bundesparteichef Meuthen und seine Unterstützer verließen die Fraktion. Warum? Es fand sich keine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür, einen Verfasser antisemitischer Schriften, Wolfgang Gedeon, auszuschließen. Am Mittwoch verkündeten nun beiden Seiten die baldige Wiedervereinigung, Meuthen soll in der gemeinsamen Fraktion wieder Vorsitzender sein. Da in Baden-Württemberg mit Zustimmung zweier Fraktionen ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden kann, hatten die Verantwortlichen das zwischenzeitliche Zerwürfnis genutzt, um einen solchen zum Linksextremismus zu beantragen. Ob er noch eingesetzt werden kann, ist offen.
Ordnungsrufe in Thüringen
Der Einzug der AfD in die Landtage geht aber nicht nur mit den inneren Konflikten der Partei einher, sondern hat teils auch zu einer Verrohung in den Plenardebatten geführt. In Thüringen hagelt es Ordnungsrufe: sowohl an die AfD, deren Vertreter eine andere Abgeordnete schon mal als „Prinzessin der Linkschaoten“ bezeichnete, als auch an die Linke, die verbal zurückschlägt. Die Grüne Rothe-Beinlich hat sich fast daran gewöhnt, dass AfD-Abgeordnete bei ihrem Namen das B schon mal mit einem P verwechseln. Sie sitzt zudem in einem Ausschuss, der vom AfD-Politiker Stephan Brandner geleitet wird. Er führe Sitzungen wie ein Tribunal, sagt die Grüne. Andererseits: Er tut es. Der in Sachsen-Anhalt gewählt Landtags-Vizepräsident der AfD, Daniel Rausch, gab sein Amt nach der ersten von ihm geleiteten Sitzung ab. Er nannte persönliche Gründe, wirkte aber schlicht überfordert.