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"1933 ist ein guter Vergleich" "1933 ist ein guter Vergleich": Wie die AfD die Corona-Protestler umarmt

18.11.2020, 12:47
Mit Gandhi, Herzballon und Antisemitismus: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller spricht bei einer Demonstration gegen die Corona-Einschränkungen der Bundesregierung vor dem Brandenburger Tor.
Mit Gandhi, Herzballon und Antisemitismus: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller spricht bei einer Demonstration gegen die Corona-Einschränkungen der Bundesregierung vor dem Brandenburger Tor. dpa

Berlin - Drinnen im Bundestag sind die Reihen geschlossen: Die AfD-Abgeordneten werden das Infektionsschutzgesetz höchstwahrscheinlich geschlossen ablehnen. Draußen auf der Straße, auf der Demonstration der Corona-Maßnahmengegner, agiert jeder Mandatsträger der Rechtspartei, wie er will.

Und einer geht dabei sogar zu Boden: Karsten Hilse, gelernter Polizist aus der Lausitz, wurde von seinen Ex-Kollegen kurzzeitig festgenommen, weil er der Maskenpflicht nicht nachkam. Ein Video eines Fraktionskollegen zeigt, wie Hilse zu Boden gebracht wird. Drinnen im Rednerpult sagt der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland: “Wenn Abgeordnete zu Boden gebracht werden, wo sind wir da angekommen in diesem Land?”

Antiparlamentarismus und Antisemitismus

Hilse hatte im Vorfeld zur Teilnahme mobilisiert und die Abgeordneten aufgefordert, gegen das “neue Ermächtigungsgesetz” zu stimmen, wie er es nennt. Im Bundestags-Plenum trat er auch bereits mit “Querdenker”-Shirt auf. Sein Fraktionskollege Hansjörg Müller trat am Mittwoch sogar als Redner auf der Demonstration auf. Er hielt eine Rede, in der er die Bundestagsabgeordneten als “Marionetten des Finanzkapitals” beschimpfte.

Dass diesen Worten ein antisemitischer Unterton innewohnt, dürfte ihm bekannt sein. Dass ein Abgeordneter aber so offen ein antiparlamentarisches Klischee bedient, sorgt selbst in seiner eigenen Fraktion für Kopfschütteln. Auch andere AfD-Parlamentarier vergleichen an diesem Tag gerne.

Vergleich mit der NS-Zeit

Vom “Ermächtigungsgesetz” sprechen die Demonstranten genau wie die AfD-Volksvertreter. So wird das Gesetz genannt, mit dem die Nationalsozialisten 1933 die Gewaltenteilung ausradierten. “1933 ist ein guter Vergleich”, sagt der bayerische AfD-Abgeordnete Petr Bystron dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Auch da haben viele die Gefahr unterschätzt."

Wenn Parteifreunde die Maskenpflicht in Geschäften mit der Ausgrenzung der Juden im NS-Regime vergleichen, ist das für Bystron kein Problem. Er sagt dem RND: „Solche Vergleiche sind statthaft und legitim. Das ist der Anfang. Berufsverbote werden folgen. Sie werden keine KZs mehr einrichten, aber die Blaupause ist die gleiche."

„Smarte Gesundheitsdiktatur"

Drinnen im Bundestag sagt Gauland: „Das ist der Weg in eine neue, smarte Gesundheitsdiktatur.” Draußen am Brandenburger Tor sagt Bystron: „Natürlich ist das überzogen. Aber in diesem Land wird seit 70 Jahren die Nazikeule gegen uns Rechte benutzt. Da können wir sie auch einmal gegen die Regierung benutzen.”

Die Stoßrichtung von beiden ist dieselbe: Die AfD bietet sich an, einige sagen: sie biedert sich an, bei den Unzufriedenen, den Orientierungslosen, den radikalen Gegnern des Parlaments da draußen. Vor dem Bundestag kommen in denselben Minuten die Wasserwerfer zum Einsatz.

Kritik an Regierungsmaßnahmen

Parteichef und Fraktionsvize Tino Chrupalla hat die Demonstration am Morgen nur durchquert. Die Veranstaltung sei “nicht im Sinne der AfD”, fügte Chrupalla hinzu. Es habe aber auch keine Empfehlung gegeben, nicht an den Kundgebungen teilzunehmen. „Das liegt in der Freiheit jedes Abgeordneten.”
Kritik, etwa an Müller oder Bystron, äußert er nicht.

Das übernimmt der andere Parteichef Jörg Meuthen: „Ich halte grundsätzlich nichts von NS-Vergleichen", sagt er dem RND: „Die Monstrosität und Singularität der Nazi-Barbarei eignet sich nicht für Vergleiche mit unserer heutigen Zeit.” Und dann kommt eine Einschränkung, die Bände spricht: „Allerdings ist sehr scharfe Kritik an den Regierungsmaßnahmen und insbesondere der Änderung des Infektionsschutzgesetzes absolut notwendig und geboten.”

Die AfD sucht, mal heftiger, mal zurückhaltender, die Nähe zur sich stetig radikalisierenden Gegnerschaft der Corona-Maßnahmen. Ob das “Querdenker”-Milieu die AfD noch braucht, ist eine andere Frage. (RND)