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Per Werkvertrag zum Hungerlohn

02.04.2012, 16:45

Berlin/afp. - Immer mehr Arbeitskräfte in der Ernährungsindustrie sind per Werkvertrag angestellt und bekommen im Schnitt fast sechs Euro pro Stunde weniger als die Stammbelegschaft. Werkverträge verdrängen dabei zunehmend Leiharbeit-Verträge, wie eine gestern veröffentlichte Umfrage der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) unter Betriebsräten zeigt. Das "neue Modell der Ausbeutung von Arbeitnehmern" sei längst etabliert.

Vergibt ein Unternehmen einen Werkvertrag, lagert es Arbeiten an eine Fremdfirma aus, die diese dann mit ihren Beschäftigten erledigt. Der Umfrage zufolge sind in der Ernährungsindustrie bereits 57 Prozent der Arbeitnehmer, die nicht zur Stammbelegschaft gehören, per Werkvertrag beschäftigt. 2010 waren es demnach noch 47 Prozent. Im vergangenen Jahr habe sich das Verhältnis von Leiharbeitern zu Werkvertrag-Arbeitern damit gedreht.

Die NGG sieht als Grund die stärkere Regulierung der Leiharbeit. Die Bundesregierung hatte den Missbrauch von Leiharbeit eingeschränkt und auch eine Lohnuntergrenze für Leiharbeit eingeführt. Werkverträge seien daher "das neue Geschäftsmodell, um Menschen noch billiger in unsichere Jobs an den Rand der Belegschaften zu drängen", erklärte der stellvertretende NGG-Vorsitzende Claus-Harald Güster.

Laut der Umfrage bekommen Werkvertrag-Arbeitnehmer im Schnitt 5,84 Euro weniger pro Stunde als ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer. Leiharbeitnehmer verdienen demnach im Schnitt 5,06 Euro weniger. Werkvertrag-Arbeiter verdienten also im Schnitt rund 80 Cent weniger in der Stunde als Leiharbeitnehmer.

Für Werkverträge gibt es keine Meldepflicht, wie die NGG erklärte. Deshalb gebe es auch keine Daten darüber, dass Werkverträge nicht nur in der Lebensmittelwirtschaft, sondern in allen Branchen der Industrie zugenommen hätten. Die NGG befragte daher von Anfang Januar bis Ende Februar fast 400 Betriebsräte, die rund 90 000 Beschäftigte in Brauereien, Molkereien, Bäckereien oder Brotfabriken repräsentieren und damit rund ein Sechstel aller in der Branche Beschäftigten.

Die Umfrage ergab, dass vor allem in Brauereien und bei Herstellern von Erfrischungsgetränken bereits mehr Werkvertrag-Arbeiter als Leiharbeiter eingesetzt werden. Sie übernehmen verstärkt Helfertätigkeiten wie das Sortieren von Leergut, Stapler fahren oder Reinigungsarbeiten. In der Fleischindustrie sind Werkverträge, über die vor allem Osteuropäer beschäftigt werden, schon länger gängige Praxis.