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Parteitag lehnt bedingungsloses Grundeinkommen ab

24.11.2007, 19:23

Nürnberg/dpa. - Mit der Forderung nach einem Milliardenprogramm für Soziales, Bildung und Kinder haben die Grünen eine Führungskrise vor den 2008 anstehenden Wahlen abgewendet. Mit großer Mehrheit unterstützten die Delegierten beim Parteitag in Nürnberg die Grünen-Spitze bei der gewünschten Erhöhung der Hartz-IV-Sätze auf eine Grundsicherung.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle wies eine knappe Mehrheit von 58,6 Prozent zurück. Andernfalls war mit einem Rückzug der Parteispitze gerechnet worden.

Der Vorsitzende Reinhard Bütikofer hatte vor rund 750 Delegierten eindringlich für einen fairen Umgang miteinander geworben. Die grüne Sozialpolitik müsse «visionär», «ehrgeizig», aber auch «politisch praxistauglich» sein. Die Unterstützung für ihr Modell sicherte sich die Parteiführung auch durch die Einbeziehung zahlreicher Detail-Positionen der internen Kritiker.

Aus vielen Reden sprach die Sehnsucht nach einem Neuaufbruch. «Lasst uns endlich wieder die Partei der Vordenker werden», forderte Beate Müller-Gemmeke bei der Vorstellung des zentralen Grundeinkommen-Konzepts aus Baden-Württemberg. Realpolitisch orientierte Grundeinkommens-Befürworter warben dafür, dass Arbeitslose durch ihr Modell weit bessere Job-Chancen bekämen. Bütikofer mahnte: «Wir haben nicht nur unter uns zu diskutieren, sondern wir wollen in die Gesellschaft hineinwirken.» Die Spitzenkandidaten in Hessen, Niedersachsen und Hamburg demonstrierten Optimismus vor den Anfang kommenden Jahres anstehenden Landtagswahlen.

Fraktionschef Fritz Kuhn forderte, das Monopol von CDU und FDP bei wirtschaftlicher Kompetenz in Meinungsumfragen müsse vor den Landtagswahlen und der Bundestagswahl 2009 gebrochen werden. Märkte allein seien nicht in der Lage zu sozialer Gerechtigkeit und auch nicht zur Ökologie, sagte er bei einer Debatte über «Grüne Marktwirtschaft». Märkte und echter Wettbewerb könnten effizient sein, bräuchten aber Rahmenbedingungen. Wirtschaftswachstum dürfe es nur noch bei Verminderung des CO2-Ausstoßes geben.

Nach der Abstimmung zur Sozialpolitik zeigte sich das Vorstandsduo zufrieden. «Der Geist des Aufbruchs hat alle erfasst», sagte Bütikofer. Er bewertete die Stimmung auf dem Kongress als «fair, konzentriert und nicht polemisch». Co-Chefin Claudia Roth lobte die sachbezogene Debatte: Die Zukunft des Vorstands habe keine Rolle gespielt. Es wäre der dritte Parteitag in Folge mit Schlappen für das Vorstandsduo gewesen.

Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Peter Ramsauer, warf den Grünen einen «populistischen Überbietungswettbewerb mit den Linken» vor. SPD-Chef Kurt Beck hatte zuvor den Grundeinkommens-Plan als «falsch und auch noch utopisch» bezeichnet.

Die Bezüge erwachsener Langzeitarbeitslose sollen nach dem Beschluss der Grünen von 347 auf 420 Euro steigen, die für Kinder auf bis zu 350 Euro. Es werden massive Investitionen in Bildung, Kultur und Kinderbetreuung gefordert. Die Gesamtkosten von 60 Milliarden Euro sollen durch höhere Steuern auf hohe Einkommen und Erbschaften sowie das Stopfen von Steuerschlupflöchern aufgebracht werden. Das bedingungslose Grundeinkommen war von Gegnern auf mehr als 1000 Milliarden Euro im Jahr beziffert worden. Die Befürworter hingegen sagten, ein per Einkommensteuerreform finanziertes Grundeinkommen belaste den Haushalt nicht.

Die Partei will mit dem jetzigen Beschluss unter anderem um eine sogenannte Brücken-Existenzsicherung kämpfen. Damit soll allen Bürgern ermöglicht werden, mit finanzieller Unterstützung zeitlich begrenzt aus dem Beruf aussteigen zu können. Ziel ist, Spielraum für Fortbildung, Familienzeit, ehrenamtliches Engagement oder ähnliches zu ermöglichen.