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Neckermann Neckermann: Internet als letzte Hoffnung

27.10.2009, 16:16
Auf Schnäppchensuche sind Kunden im Farbrikverkauf von Neckermann in Frankfurt am Main. (FOTO: DPA)
Auf Schnäppchensuche sind Kunden im Farbrikverkauf von Neckermann in Frankfurt am Main. (FOTO: DPA) dpa

Frankfurt/Main/dpa. - Niemals hätte er erwartet, dass er noch einmal froh seinwürde über den Einstieg einer sogenannten «Heuschrecke» in seinTraditionsunternehmen, den Frankfurter Neckermann-Versand. Doch derUS-Investor Sun Capital hat es ermöglicht, dass der seit Jahrengebeutelte Versandhändler überhaupt noch eine Zukunft planen kann.

Die liegt nach Überzeugung des vor wenigen Monaten neueingesetzten Managements eindeutig im Online-Handel, der heute schon60 Prozent des Umsatzes von rund 750 Millionen Euro in Deutschlandausmacht. In drei Jahren will Vorstandschef Henning Koopmann ausden jährlichen Millionenverlusten eine schwarze Null beim Ergebnismachen, der Online-Anteil soll auf etwa 80 Prozent steigen.

Zwar ist Neckermann.de bereits vor 14 Jahren in dasInternetgeschäft eingestiegen, hat es aber lange als nurzusätzlichen Bestellkanal unterschätzt. Auf die ständigePreistransparenz der Konkurrenz und die flexiblen Internet-Plattformen von Amazon und Co. hatte man nur wenige Antworten imEinkauf und beim Marketing. Das soll sich ziemlich schnell ändern,verspricht das neue Management, das vor allem in das IT-Systeminvestieren will. Von der früheren Mutter Arcandor habe man sich indieser Hinsicht bereits erfolgreich abgekoppelt. Bis vor wenigenWochen konnte man bei Neckermann nicht mit Kreditkarte bezahlen, dasim Netz beliebte Bezahlsystem Paypal soll jetzt folgen.

Von der alten Herrlichkeit mit dem Slogan «Neckermann machtsmöglich» ist in dem großen Gebäudekomplex, der längst nicht mehrder Firma gehört, nicht viel übrig. Mehr als die Hälfte dereuropaweit 4300 Neckermann-Beschäftigten arbeitet hier, hat mehrereRunden Lohnverzicht und Stellenabbau hinter sich. So an die 30Vorstände habe er seit 2001 erlebt, erzählt Betriebsrat Schmidt. Dafehle manchen die Zuversicht, dass die jeweils aktuelle Mannschaftdas Ruder herumwerfen kann. Die vorletzte Vorstandsriege wollteNeckermann selbst übernehmen, biss dabei aber beim MehrheitseignerSun auf Granit. Ihren Nachfolgern hinterließen die Manager einenUmsatzeinbruch von 820 auf 747 Millionen Euro in diesem Jahr.

Noch ungeklärt ist die Zukunft des Minderheitsanteils von 49Prozent, den die insolvente Arcandor-Tochter Primondo an Neckermannhält. Nach Angaben des Insolvenzverwalters Hubert Görg hat derPensionsfonds von Karstadt-Quelle die Finger darauf, so dass einTeilverkauf des Ex-Konkurrenten letztlich den gebeutelten Quelle-Arbeitern zugutekommen könnte.

Aktuell profitiert Neckermann sogar von der Pleite der langeJahre erfolgreicheren Konkurrenz. Der frühere Quelle-Manager Koopmannvermeidet aber sorgsam jeden Anflug von Häme oder Kritik in RichtungFürth. «Quelle ist in den Gesamtstrudel von Arcandor gezogen wordenund dann war kein Geld mehr da. Da konnten viele tolle Sachen nichtmehr zu Ende geführt werden.» Es hätte auch ihn treffen können, meinter wohl.

Hauptproblem der Neckermänner im eigenen Geschäft ist der immernoch gewichtige Katalog, der das Unternehmen einst groß gemachthat. Zweimal im Jahr wird er immer noch an die Kundschaft verschicktin einer Auflage von 4,2 Millionen Stück. Die Kosten habe man auf dieHälfte gedrückt, sagt der Vorstand, ohne die exakte Summe zu nennen.Allerdings ist die zumeist ältere Katalogkundschaft wenigerzahlungskräftig als die Online-Kunden.

Die nächste Katalogausgabe für Frühjahr/Sommer 2010 werde injedem Fall erscheinen, sagt Koopmann. Man werde für beide Zielgruppenunterschiedliche Angebote machen und sich auf die KernsortimenteMöbel, Mode und Technik konzentrieren. Nebenartikel könnten gutauch an Partner übergeben werden, die über die Neckermann-Plattformihre Produkte anbieten. 80 solcher Unternehmen sind bereits an Bord,weitere sollen Schlange stehen für die Internet-Strategie derbundesdeutschen Legende Neckermann.