Landwirtschaft Landwirtschaft: Boykott der Milchbauern spitzt sich zu
Berlin/dpa. - Nach Einschätzung des Milchindustrieverbandes wurde weniger als die Hälfte der sonst üblichen Milchmenge geliefert. Mancherorts schritt die Polizei ein, um Straßensperren zu räumen. Deutsche Milchbauern boykottieren seit Dienstag die Molkereien, um höhere Milchpreise zu erzwingen.
So wie Branchenführer Nordmilch aus Bremen befürchteten viele betroffene Molkereien, dass tausende Tonnen Milch in den Tanklastern verderben. Durch die Totalblockade nahezu aller Werke habe der Lieferstopp neue Dimensionen erreicht, erklärte der Bremer Konzern. Auch lieferwillige Bauern könnten ihre vollen Milchtanks nicht leeren und seien gezwungen, gigantische Mengen frisch gemolkener Milch direkt in den Abfluss zu leiten.
Lösungswege wollten Spitzenvertreter des Lebensmittelhandels und der Bauern am Montagabend bei einem ersten Treffen in Köln suchen. In der Nacht hatten sich Molkereien und Bauern geeinigt, mit dem Handel über höhere Milchpreise für die Bauern zu verhandeln. «Da hat ein Schulterschluss zwischen Milchbauern und Molkereien stattgefunden», sagte Bauernverbandssprecher Michael Lohse.
Die Blockaden behinderten die Milchlieferung beim überwiegenden Teil der großen Molkereien. Die Menge sei im Vergleich zum Wochenende weiter zurückgegangen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverbandes, Eberhard Hetzner. Einige Molkereien wurden ihm zufolge komplett von der Milchlieferung abgeschlossen, in einigen Regionen wurden nur 20 Prozent der sonst üblichen Milch geliefert. Im Westen Deutschlands wird nach Angaben des Verbandes über Kurzarbeit nachgedacht. Wegen der Vielzahl an Molkereien konnte Hetzner keine konkreten Angaben über die Auswirkungen des Boykotts machen.
Der größte Milchbetrieb Deutschlands, die Sachsenmilch-Molkerei in Leppersdorf, wurde von etwa 200 Bauern mit schwerem Gerät blockiert. 300 Milchbauern riegelten den Stammsitz von Müller-Milch im schwäbischen Aretsried ab. Die Polizei schritt ein, um einen Weg frei zu räumen. Bei Ehrmann im Unterallgäu blockierten Bauern mit rund 70 Traktoren von Sonntagabend an die Ein- und Ausfahrten einer Molkerei. Mehr als ein Dutzend Landwirte verhinderten in Warburg (Kreis Höxter) an einem Humana-Milchwerk die Ausfahrt von rund 20 Lastwagen. «Im Laufe des Tages müssen die Lkw ihre Produkte ausliefern, da die Ware ansonsten verderben könnte», sagte ein Verantwortlicher der zweitgrößten deutschen Molkerei.
Stark betroffen war nach Angaben der Polizei auch die Großmolkerei Omira in Ravensburg. Deren Geschäftsführer Wolfgang Nuber sagte, an allen drei Omira-Standorten könne keine Milch angeliefert werden. «Derzeit kommt keine Milch in die Werke rein und geht auch kein fertiges Produkt nach draußen.» Durch die Blockade fehlten etwa 60 Lasterladungen Milch.
In Schleswig-Holstein blockierten Bauern rund zehn Betriebe. Sie erhielten nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) viel Unterstützung aus der Bevölkerung. Autofahrer grüßten hupend oder führen winkend vorbei, sagte Landesverbands-Sprecherin Karin Voss. Auch Betriebe in Hessen waren von Blockaden betroffen, ebenso wie die Großmolkereien Hochwald und Milch-Union Hocheifel (MUH) in Rheinland-Pfalz. MUH bereitete sich auf die Einstellung der Produktion vor. «Unsere Rohstoffe gehen zu Ende. Wenn die Blockade nicht endet, müssen wir die Produktion am Nachmittag beenden», sagte MUH-Sprecher Wolfgang Rommel.