Kranker Helmut Kohl nicht auf Parteitag
Stuttgart/dpa. - Die Bilder der Niederlage sind inzwischen mehr als zehn Jahre alt. Am 27. September 1998 verlor der CDU-Patriarch und Rekordkanzler Helmut Kohl nach 16-jähriger Amtszeit die Bundestagswahl.
Tief enttäuscht übernahm Kohl die Verantwortung und kündigte an, nach 25 Jahren auch den Vorsitz der CDU niederzulegen. Eine Ära deutscher Nachkriegsgeschichte war zu Ende gegangen. Heute ist der fast 79 Jahre alte Kohl ein kranker Mann. Erneut blieb sein Platz auf dem Parteitag «seiner» CDU in Stuttgart leer. Unter dem Jubel der Delegierten war der Pfälzer - die Basis hatte ihm den Spendenskandal verziehen - zuletzt 2002 in Frankfurt/Main in die Halle eingezogen.
Zwangsweise hat sich Kohl seit Monaten aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. In seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim kuriert er noch immer seine zwei Knie-Implantationen aus. Zusätzlich schwächt ihn ein nicht unkompliziertes Schädel-Hirn-Trauma, das er sich bei einem Sturz in seinem Haus Anfang 2008 zugezogen hatte. Seit längerem sitzt der Altkanzler in einem Rollstuhl. Er arbeite - so heißt es in seiner weiteren Umgebung - am vierten Band seiner Memoiren. Der Erscheinungstermin ist noch ungewiss. Bei der Vorstellung des dritten Bandes seiner Erinnerungen vor fast genau einem Jahr in Berlin war er, schwer atmend und an Krücken, letztmalig in der Öffentlichkeit aufgetreten.
Es hat in diesem Jahr aber auch glückliche Momente im Leben des einstigen «Schwarzen Riesen» gegeben: Anfang Mai heiratete er in der Kapelle eines Reha-Zentrums in Heidelberg die 34 Jahre jüngere Regierungsdirektorin Maike Richter. Beide waren sich - so die inoffiziellen Überlieferungen - zwischen 2003 und 2004 näher gekommen.
In der Zwischenzeit gibt es die von Kohl so oft beschworene «Familie», wozu - nach dem Freitod seiner Frau Hannelore 2001 - nicht nur die Söhne Walter und Peter, sondern auch seine einstige engste Umgebung gehörte, zumindest in dieser Form nicht mehr. Bei der letzten Buchvorstellung im November 2007 saß nur noch Maike Richter in der ersten Reihe. Kohls langjährige Büroleiterin Juliane Weber war im Gegensatz zu früheren ähnlichen Gelegenheiten ebenso abwesend wie sein früherer Medienberater Eduard «Ede» Ackermann. Gerade «Ede» hatte wesentlichen Anteil am Zustandekommen der ersten beiden Kohl- Bände.
Kohl hat sich von seinen langjährigen Weggefährten abgewandt - oder sie sich von ihm. Zuverlässig vermag das niemand zu sagen. Auch die früheren Mitarbeiter schweigen. Öffentlich wurde allerdings das offenbar gestörte Verhältnis zwischen dem einstigen Partei-Patriarchen und seinen Söhnen. Weder Walter noch sein Bruder Peter oder die frühere «Entourage» waren bei der schlichten Heidelberger Hochzeit anwesend.
In einem Interview mit der Zeitschrift «Bunte» im August gab sich Walter Kohl «befremdet» über die Vorgehensweise seines Vaters anlässlich der Eheschließung. «Trotz unterschiedlicher Auffassungen musste ich auch akzeptieren, dass mein Bruder, ich und unsere Familien nicht zu seiner zweiten Hochzeit eingeladen waren», sagte Walter. Auch Kohls Fahrer und «Majordomus», Eckhard «Ecki» Seeber, und dessen Ehefrau Hilde, die seit Jahrzehnten im Oggersheimer Haushalt half, scheinen nicht mehr die frühere Nähe zu haben. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel verabschiedete den inzwischen 70-jährigen Seeber in der vergangenen Woche nach 46 Jahren Dienst mit und bei Kohl in den Ruhestand.
Nicht nur für die CDU wird Kohl für immer einer der wichtigsten Baumeister Europas und «Architekt der Deutschen Einheit» bleiben. Verehrt wird der Ex-Kanzler vor allem in der Jungen Union. Die Bundesregierung wird ihm wohl im kommenden Jahr ein Denkmal setzen: Erwartet wird, dass eine «Helmut-Kohl-Stiftung» ins Leben gerufen wird. Ähnliches ist auch mit Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) geplant. In der Kohl-Stiftung wird dann vermutlich unter Leitung von Ehefrau Maike Richter das Vermächtnis des Rekordkanzlers und Rekordvorsitzenden gepflegt.