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Industrie Industrie: Unternehmer Karl Diehl mit 100 Jahren gestorben

Von Stephan Maurer 19.01.2008, 14:59
Der Seniorchef des Industriekonzerns Diehl, Karl Diehl, verfolgt in Röthenbach an der Pegnitz (Mittelfranken) die Einweihung einer neuen Fertigungsanlage für Stahlsynchronringe. (Foto: dpa)
Der Seniorchef des Industriekonzerns Diehl, Karl Diehl, verfolgt in Röthenbach an der Pegnitz (Mittelfranken) die Einweihung einer neuen Fertigungsanlage für Stahlsynchronringe. (Foto: dpa) dpa

Nürnberg/dpa. - Der von ihm aufgebaute und heute vonseinen Söhnen geleitete Diehl-Konzern zählt mit einem Umsatz von 2,2 Milliarden Euro und weltweit mehr als 11 000 Mitarbeitern zu dengrößten deutschen Rüstungsproduzenten. «Karl Diehl hat das Erbeseiner Eltern durch schwere Zeiten geführt und zu einem dererfolgreichsten deutschen Familienunternehmen geformt», hieß es ineiner Mitteilung des Unternehmens.

Erst vor rund fünf Jahren hatte Diehl den Aufsichtsratsvorsitz imUnternehmen abgegeben, und bis zuletzt war der Seniorchef präsent.Noch Ende Oktober eröffnete er im Werk Röthenbach nahe Nürnberggemeinsam mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein(CSU) eine neue Fertigungsanlage. Diehl galt als freigiebiger Mäzenmit großem sozialen Engagement. Heftig umstritten war aber zeitweiseseine Rolle im Nationalsozialismus.

Karl Diehl wurde am 4. Mai 1907 in Nürnberg geboren. DenGrundstein für den heutigen Konzern hatte sein Vater Heinrich Diehlmit der Gründung einer Kunstgießerei gelegt. Karl Diehl trat mit 23Jahren in das Unternehmen ein und übernahm nach dem Tod des Vaters1938 die Leitung. Schon vorher war er Mitglied der NSDAP geworden.Die Aufrüstung während der Nazi-Zeit machte das Unternehmen zu einemder wichtigsten deutschen Rüstungsproduzenten.

Der als kriegswichtig eingestufte Betrieb produziertemillionenfach Aufschlagzünder und Patronen. Dabei wurden auchKriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen eingesetzt - ein Schatten,der erst viel später auf Diehl zurückfiel: Als ihm die Stadt Nürnberg1997 die Ehrenbürgerwürde verlieh, kamen Einzelheiten aus der Nazi-Zeit ans Licht. Dies führte zu heftigen Protesten. Diehl selbstsuchte den Dialog mit überlebenden Zwangsarbeiterinnen und zahltefreiwillig Entschädigungen. Sein Sohn Werner reiste nach Israel, umsich persönlich bei ehemaligen Zwangsarbeiterinnen zu entschuldigen.

«Wie die meisten Unternehmer in seiner Situation handelte erpragmatisch», urteilt der Erlanger Historiker Prof. Gregor Schöllgenüber Diehls Rolle in der Nazi-Zeit. Der Unternehmer selbst erklärtespäter, er habe Betrieb, Familie und Mitarbeiter nicht gefährdenwollen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute Diehl die teils zerstörte Firmawieder auf und hielt sie zunächst mit allen denkbaren Aufträgen wieder Zerlegung von Flugzeugschrott oder der Umformung von Stahlhelmenzu Haushaltsgeräten über Wasser. Bereits Mitte der 1950er Jahrewandte er sich erneut der Rüstungsproduktion zu, ließ für dieBundeswehr Panzerketten, Munition und Waffensysteme fertigen.

«Ein Unternehmen kann nur mit Optimismus geführt werden», lauteteder Wahlspruch des als zurückhaltend und konservativ geltendenPatriarchen. Seiner Heimatstadt stets eng verbunden, stellte erdennoch schon früh die Weichen für eine globale Ausrichtung desKonzerns. Im Laufe der Jahre baute er die Unternehmensgruppe aus undbemühte sich darum, die Abhängigkeit vom Rüstungssektor zuverringern. So gehörte zeitweise etwa die Uhrenfabrik Junghans zuDiehl.

In den 1990er Jahren musste Diehl sein Unternehmen wegen desrückläufigen Militärmarktes umstrukturieren. 1993 übernahm SohnThomas die operative Leitung der Gruppe. 2002 übergab Karl Diehl denAufsichtsratsvorsitz an seinen ältesten Sohn Werner. Das 1998 zurDiehl Stiftung & Co. KG umgewandelte Familienunternehmen ist heute inden vier Teilkonzernen Metall, Controls, Defence und Aerosystemsorganisiert. Mit der Fertigung von Zündern und Lenkflugkörpern zähltDiehl nach wie vor zu den wichtigsten Ausrüstern der Bundeswehr undder NATO-Streitkräfte. Etwa ein Drittel der Erlöse entfällt auf dieWehrtechnik. Auch als Airbus-Zulieferer spielt Diehl eine bedeutendeRolle.