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Indien Indien: 100 000 Bauarbeiter errichten größte Raffinerie der Welt

Von Can Merey 20.11.2006, 09:12
Blick auf Hafen von Reliance Industries nahe der Stadt Jamnagar an der Westküste Indiens, wo derzeit die größte Raffinerie der Welt gebaut wird. (Foto: dpa)
Blick auf Hafen von Reliance Industries nahe der Stadt Jamnagar an der Westküste Indiens, wo derzeit die größte Raffinerie der Welt gebaut wird. (Foto: dpa) reliance industries

Jamnagar/dpa. - In der neuen Raffinerie nahe der Stadt Jamnagar will das größteprivate Unternehmen Indiens spätestens ab Dezember 2008 importiertes Rohöl zu hochwertigen Treibstoffen verarbeiten - ausschließlich für den Export in den Westen. Vor allem Europa und die USA sollen beliefert werden.

Reliance, einst als Textilunternehmen gegründet und heute einesder erfolgreichsten börsennotierten Unternehmen in Indien, hat erst seit wenigen Jahren Erfahrung im Ölgeschäft. 1996 begann die Firma gegen den Rat von Experten, die vor einem «lausigen Geschäft» warnten, eine erste Raffinerie in Jamnagar zu bauen. Statt der üblichen vier bis fünf Jahre gelang es den Neulingen, den Komplex auf einem Drittel der Fläche Manhattans in nur 36 Monaten aus dem Steppenboden zu stampfen. Heute nennt das Unternehmen die Raffinerie, die 1999 die Arbeit aufnahm, sein «Kronjuwel». Die Raffinerie verarbeitet 660 000 Barrel (je 159 Liter) am Tag und liegt weltweit an Platz drei.

Neben dem Kronjuwel soll nun nach dem Willen von RelianceIndustries ein neues Schmuckstück entstehen. Der Startschuss desProjekts fiel am 1. Dezember vergangenen Jahres, die Pläne sehen den Betriebsbeginn der neuen Raffinerie im Dezember 2008 vor. «Wir versuchen aber, das Ziel noch zu unterbieten», sagt der Direktor von Reliance Industries, Hital R. Meswani. Sechs Milliarden Dollar sind veranschlagt, in Spitzenzeiten sollen bis zu 100 000 Menschen auf der Baustelle arbeiten. Danach soll die Raffinerie 580 000 Barrel verarbeiten, die Gesamtkapazität des Standorts Jamnagar läge dann bei1,24 Millionen Barrel - so viel wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Bereits die erste Raffinerie produziert hauptsächlich für denExport, die zweite, die vom dafür gegründeten TochterunternehmenReliance Petroleum geführt werden wird, wird das exklusiv tun. Sieentsteht in einer der neuen indischen Sonderwirtschaftszonen, nachderen Bestimmungen in den ersten fünf Jahren des Betriebs diegesamten Exporterlöse steuerfrei bleiben, weitere fünf Jahre müssennur 50 Prozent versteuert werden. Das importierte Rohöl muss eben sowenig verzollt werden wie die später ausgeführten Treibstoffe.

Zum Erfolgsrezept soll die Fähigkeit der neuen Anlage werden, auchdas schlechteste und damit billigste Rohöl zu den hochwertigsten unddamit teuersten Treibstoffen zu verarbeiten. Da der Vorrat anhochqualitativem Rohöl immer weiter abnimmt, wird immer mehrschweres, schwefelreiches Öl gefördert. Der Preisunterschied betrugbei arabischem Öl im vergangenen Jahr rund 5 Dollar pro Barrel.Gleichzeitig werden die Umweltschutzbestimmungen im Westen schärfer -die Nachfrage nach hochwertigen schadstoffarmen Treibstoffen steigt.

«Wir können praktisch jede Art von Rohöl verarbeiten», sagtMeswani. Die aus dem minderwertigen Öl entstehenden Treibstoffewürden auch die schärfsten Umweltbestimmungen in Europa und den USAerfüllen. Von den mehr als 660 Raffinerien weltweit könnten dasderzeit nur rund 30 leisten. Ältere Anlagen seien dazu nicht in derLage, und nach Meswanis Angaben haben weltweit 72 Prozent allerRaffinerien 25 Jahre oder mehr auf dem Buckel, in Europa und den USAhaben dieses Alter fast alle Raffinerien überschritten. Zudem seienderzeit fast alle Raffinerien bereits zu 95 Prozent ausgelastet.

Fast überall sei die Modernisierung verschlafen worden, sagtMeswani. Die Konkurrenz komme frühestens 2010 mit Anlagen auf denMarkt, die Jamnagar das Wasser reichen könnten. Für ihn hat Jamnagareine Bedeutung weit über den Subkontinent hinaus. Meswani sieht «dasgoldene Raffineriezeitalter für Asien» aufziehen. Reliance baue «eineRaffinerie für den Westen, stationiert in Indien», sagt er. Und mehrals das: Die Raffinerie sei auch eine Kampfansage an diejenigen, dieglaubten, dass China Indien im Industriebereich immer voraus sei.