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Handwerk Handwerk: Giese lebt heute vor allem von Reparaturen

05.08.2002, 08:04
Ledermaßschneider Karl-Heinz Giese
Ledermaßschneider Karl-Heinz Giese ZB

Magdeburg/dpa. - «Ich habe von 1966 bis 1968 in (Ost-)Berlin bei meinem Onkeldieses Handwerk gelernt», erzählt er. Der Onkel war damals nachseinen Angaben der einzige Meister auf diesem Gebiet und Giese wardessen letzter Geselle. Zunächst arbeitete er dort auch noch eineWeile, wechselte dann aber in eine Lederbekleidungsfabrik nachMagdeburg. Später arbeitete er in einem Dienstleistungskombinat, indem es auch Damen- und Herrenmaßschneider sowie eineÄnderungsschneiderei gab. Dort legte Giese seine Prüfung als«Industriemeister für Leberbekleidung» ab, was seinen Worten zufolgekein Handwerksmeistertitel ist.

In seiner neuen Funktion bildete er Facharbeiter fürLederbekleidung aus, das Maßschneidern war aber dabei nichtvorgesehen. Während seiner Arbeit im Dienstleistungskombinat geschahetwas, was man sich heute nur schlecht vorstellen kann: Giese wolltesich selbstständig machen, der Betrieb ließ ihn aber nicht gehen.«Von 1976 an habe ich immer wieder um eine Gewerbeerlaubnisnachgesucht, erst 1982 habe ich sie dann bekommen.»

Am 1. September 1982 machte er sein eigenes Geschäft auf, zuvorhatte er in einer Zeitung mit einer kleinen Anzeige auf sichaufmerksam gemacht. «Wir hatten zur Feier des Tages noch frischGehacktes gekauft und kamen um 9.00 Uhr an, da standen bereits 75Leute vor der Tür. An diesem Tag habe ich 125 Aufträge fürNeuanfertigen und Änderungen angenommen, das war ein Volumen für einJahr Arbeit», erinnert er sich.

Zu DDR-Zeiten hätten die Leute relativ viel Geld gehabt, dem aberkein ausreichendes Warenangebot gegenüberstanden habe. «Da wurdeschon einmal etwas Maßgeschneidertes gekauft, weil man dann einbesonderes Stück hatte». Mit der Wende seien die Aufträge sofortweggebrochen, sagt Giese mit Blick auf das Angebot in Kaufhäusern undviele so genannter «Fliegender Händler» auf Flohmärkten.

Heute lebt Giese vor allem von Reparaturen, die Neuanfertigungenmachen vielleicht noch zehn Prozent aus, sagt er. Lederschneidereisei etwas grundsätzlich anderes als «normale» Schneiderei. «Wir nähenfast ausschließlich mit der Maschine, nicht mit der Hand. Es mussdeswegen beim ersten Mal stimmen, wir können nicht so auftrennen wiedie Stoffschneider, wenn es nicht schön geworden ist.»

Eine maßgeschneiderte Lederjacke koste im Durchschnitt 600 Euro,ein Rock 300 Euro. Wie viel er verdient, möchte er nicht sagen. «Esreicht zum Leben, aber reich werde ich davon nicht», sagt Giese. Erdürfe keinen Stundenlohn errechnen, das wäre zu deprimierend.

Möglicherweise gebe es noch Vertreter seines Handwerks inWestdeutschland, beispielsweise zur Herstellung von Trachtenkleidung.Den Lederbekleidungsmaßschneider gibt es heute als Berufsbild in derDeutschen Handwerksordnung nicht mehr, fügt der Pressereferent derHandwerkskammer Magdeburg, Jürgen Horch, hinzu.