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Getränke Getränke: Mit Margon verschwindet Ost-Traditionsunternehmen

Von Simona Block 21.08.2005, 12:03
Eine Margonwasserflasche liegt am Freitag (19.08.2005) vor einer Flasche mit Lichtenauer. (Foto: dpa)
Eine Margonwasserflasche liegt am Freitag (19.08.2005) vor einer Flasche mit Lichtenauer. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Burkhardswalde/dpa. - Der neue Eigentümer sieht für denStandort Burkhardswalde keine Zukunft.

Für die Menschen im Müglitztal ist das «eine Katastrophe», sagtder Bürgermeister der gleichnamigen Gemeinde, Jörg Glöckner. In demidyllischen Tal unweit von Dresden herrschen seit DonnerstagEmpörung, Wut und Enttäuschung. «Wir sind aus allen Wolken gefallen.»Noch vor zwei Jahren hatte die Firma ihr 100-jähriges Bestehengefeiert, wollte mit der Übernahme durch Brau und Brunnen (Dortmund)ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte aufschlagen.

Die begann 1903, als Naturheilkundler und Pilzforscher GottfriedMoritz Gössel auf einer Wiese eine Quelle entdeckte. Er erkannte dieheilende Wirkung des Wassers, das er für die Augenbehandlungeinsetzte. Der Psychotherapeut kaufte die Wiese - das heutigeFirmenareal - ließ die Quelle einfassen und begann, das Heilwasseraus der «Augen-Quelle» in ganz Europa zu vertreiben. Später wurde dasSortiment um Toilettenartikel wie Öl «zur Erweichung der Haut» sowieMund- und Badewasser erweitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgtenzunächst Aufbauarbeit und Planwirtschaft, die zur Verstaatlichung desUnternehmens führte.

Trotz sozialistischer Vorzeichen blieb Margon eine Marke. Nachzähem Streit mit der SED-Obrigkeit durfte der Betrieb 1966 sogar einTonic-Wasser auf den Markt bringen. Es war wegen des teuren, aus dem«kapitalistischen Ausland» importierten Chinin das vorerst einzigeder DDR. Wie Radeberger Bier, Eberswalder Würstchen oder RiesaerNudeln konnte sich «Margonwasser - prickelnd frisch» nach 1989 weiteram Markt behaupten. Gerolsteiner Brunnen aus der Vulkaneifel, der denBetrieb 1990 übernommen hatte, investierte bis Ende 2001 knapp 58Millionen Euro in neue Technik und Anlagen.

Noch zum Jubiläumsfest kündigte Neu-Eigentümer Brau und Brunnenan, den Marktanteil in den nächsten Jahren gar auf 25 Prozent zusteigern. Der Traum endete in diesem August: Lebensmittelriese Dr.Oetker verkaufte Anfang des Monats die Brau und BrunnenMineralquellen GmbH (Berlin) an Hassia Mineralquellen (Bad Vilbel).Für den neuen Eigentümer ist der Betrieb in Burkhardswaldeunproduktiv, die Quellen zu unergiebig. Hassia gehört unter anderemdie Lichtenauer Mineralquellen GmbH bei Chemnitz, wo nun von Januar2006 an auch Margon gewonnen und abgefüllt werden soll.

Der Erhalt der Marke ist für die Menschen im Müglitztal, wo dasWasser aus mehreren Quellen sprudelte, nur ein schwacher Trost. «DerMarkenname Margon gehört hierher», sagt Bürgermeister Glöckner. Diemeisten der Mitarbeiter, die nach Weihnachten auf der Straße stehenwerden, wohnen in dem malerischen Landstrich. «Das ist ein Schlag insKontor», so der evangelische Pfarrer Thomas Reime. Nur ein Drittelder 100 Mitarbeiter und die zwölf Azubis sollen am neuen Standortübernommen werden.

Mit einer Reduzierung der Belegschaft nach dem Eigentümerwechselhabe man gerechnet, sagt Glöckner. Aber die Schließung und derWegfall der Arbeitsplätze sei «aus heiterem Himmel» gekommen. Margonwar nicht nur der größte Arbeitgeber der Gegend, sondern auch derganze Stolz der Einwohner. «Damit bricht ein Stück Heimat weg», sagtGlöckner. Die Menschen seien sehr bodenständig, es gebe kaum Job-Alternativen, sagt Pfarrer Reime. Für zahlreiche Familien bedeute dasMargon-Aus den sozialen Abstieg. Die Älteren blieben, die Jüngerenzögen weg. «Das ist eine Tragik für uns.»