Fahrzeugbau Fahrzeugbau: Brandgefahr aus der Klimaanlage
Frankfurt (Main)/MZ. - Ein flammendes Inferno und schwerste Verätzungen der Insassen könnten im schlimmsten Fall die Folgen sein. Die Autobauer sind ratlos, nach Lösungen für das Problem mit dem "Killer-Kältemittel" wird hektisch gesucht. Die Behörden drücken derweil beide Augen zu.
2007 war die Welt noch in Ordnung. Damals beschlossen die deutschen Autobauer, künftig Kohlendioxid (CO2) als klimaschonendes Kältemittel zu nutzen - als Reaktion auf verschärfte EU-Vorgaben. CO2 ist zwar auch ein Treibhausgas, aber das seit vielen Jahren gängige Kühlmittel Tetrafluorethan (Handelsname R134a) ist mehr als tausendmal schädlicher für das Klima. Doch 2008 präsentieren die US-Konzerne Dupont und Honeywell ein neues Produkt: Tetrafluorpropen (R1234yf). Es taugt als Ersatz für R134a, liegt aber in puncto Klimabelastung erheblich günstiger als die altbewährte Substanz - eine billige Alternative für die Autobranche.
Denn erstens mussten die CO2-Klimaanlagen damals noch entwickelt werden. Zudem ist die Fertigung teurer als die konventioneller Aggregate. Doch Umweltschützer wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und auch die Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung warnten schon 2008 vor dem neuen Kältemittel: Bei einem Crash könne es sich entzünden, bei der Verbrennung entstehe Fluorwasserstoff. Das stechend riechende Gas ist hochgradig giftig und wirkt in Verbindung mit Wasser extrem ätzend.
R1234yf wird dennoch genehmigt. In Labortests hat sich der Stoff als kaum entflammbar erwiesen. Doch die Diskussion um die chemische Substanz nimmt kein Ende. Daimler wollte Kritikern von R1234yf eigentlich den Wind aus den Segeln nehmen und machte voriges Jahr einen "Real-Life-Test", der einem Crash mit berstender Kühlmittelleitung sehr nah kam. Zur großen Überraschung der Ingenieure fing das Auto Feuer. Ein Schock für die gesamte Branche.
"Welche Prozesse genau zu dem Brand führten, ist noch immer nicht klar", sagt ein Daimler-Sprecher. Fest stehe nur, dass die Thermodynamik im Motorraum bei warmem Motor eine Rolle spiele. Daimler jedenfalls stoppte daraufhin den Einsatz von R1234yf. Betroffen sind der neue SL, sowie die A- und die B-Klasse. Jetzt wird wieder das alte Tetrafluorethan in die Klimaanlagen gefüllt. "Wir wissen, dass das nicht mit den Vorschriften konform ist, aber solch ein Verstoß war nicht unsere Zielsetzung", so der Daimler-Sprecher.
Und was sagen die Behörden? Ein Sprecher des Kraftfahrtbundesamtes weist darauf hin, dass als Ultima Ratio Daimler die Typgenehmigung für die drei Modelle entzogen werden könnte. Zugleich weist er auf "Ermessensspielräume" hin. Die Behörde will Daimler offenbar einige Wochen Zeit geben, um das Problem zu lösen. Der Autobauer selbst hat bei der EU um eine Duldung der nicht-legalen Praxis für sechs Monate gebeten.
Für Patrick Huth von der Deutschen Umwelthilfe ist die Lage nicht haltbar. Er fordert Sanktionen für Autobauer, die gegen die Vorschriften verstoßen, sprich gegen Daimler. Eine Strafzahlung von 665 Euro für jedes Auto, das rechtswidrig mit dem Kältemittel R134a ausgeliefert wird, hält er für angemessen - die Summe entspricht den Strafregeln der EU. Solche Zahlungen hätten den Effekt, dass die Autobranche gezwungen werde, eine schnelle Lösung des Problems zu finden.
Autofahrer, die sich gerade einen neuen Wagen zulegen, müssen indes kaum befürchten, dass sie mit R1234yf durch die Gegend fahren. Lediglich asiatische Hersteller setzten das Kühlmittel bei einigen wenigen Modellen ein. Die deutschen Autobauer verzichten derzeit auf die umstrittene chemische Substanz. Viele Autobauer haben ihre Typen schon vor Jahren genehmigen lassen. Sie dürfen noch alte Kältemittel verwenden.