Fachhochschule Merseburg Fachhochschule Merseburg: Fit sein spart Millionen
Merseburg/MZ. - Lässt sich der Krankenstand um ein Prozent drücken, spart das 2,5 Milliarden Euro hatVolkswagen Sachsen errechnet und Gesundheitsmanagementzum Unternehmensziel erhoben. Prof. Bernd Rudow, Arbeitswissenschaftler am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Merseburg, arbeitet für die Autobauer, die in den Werken in Chemnitz und Mosel bei Zwickau 6900 Menschen beschäftigen. Sein Credo: "Nur gesunde Mitarbeiter bauen gute Autos."
Die Volkswagen-Manager betrachten, sagt er, Krankenstandskennzahlen als Warnsignal. Denn wo Mitarbeiter krank sind, grassiert oft nicht nur die Grippe. Fehlzeiten weisen auf schlechte Arbeitsbedingungen und oft auch auf ein schlechtes Betriebsklima hin. Das Unternehmen habe einGesundheitsmanagement eingeführt, bei dem Führungskräfte eine zentrale Rolle einnähmen. So gab es im Jahr 2000 Seminare, bei denen er referierte. 97 Prozent "Gesundheitsstand" - drei Prozent Kranke also - weise die Jahresstatistik in Chemnitz aus. Im Branchen-Schnitt seien es sechs Prozent der Belegschaft. "Es gehtnicht darum, Jagd auf Kranke zu machen", betont der Professor, sondern Gesundheit als "Norm und Überzeugung im Unternehmen zu verankern". Dass das nicht immer leicht ist, weiss Jacequeline Bülow, die bei Volkswagen Sachsen das Gesundheits-Projekt betreut. Mitte der 90er Jahre habe es erstmals Anstrengungen gegeben. Das Engagement sei dann aber eingeschlafen. Die Folge: mehr Krankmeldungen. Also soll dieses Mal nicht nachgelassen werden.
Zentrales Element in der Strategie für mehr Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist das Gesundheitsteam. Werksärzte, Mitarbeiter aus dem Bereich Personalwesen, Betriebsräte und Vertreter der Krankenkasse arbeiten dort zusammen. Jacqueline Bülow, Assistentin des Geschäftsführers Personalwesen, leitet die Gruppe. Außerdem, sagt sie, würdenRückkehrgespräche geführt - wer krank war, wird vom Chef gefragt, ob Arbeitsplatz oder -umfeld schuld waren. Und es wird analysiert, ob in bestimmten Hallen der Krankenstand ansteigt. Das alles kann zu ganz praktischen Konsequenzenführen, der Ausgabe von Winterjacken an Gabelstapler-Fahrer zum Beispiel - oder zu Job-Rotation. "Über Kopf zu hantieren, belastet den Rücken", sagt Bülow. Vermeiden lasse sich das nicht. Aber man könne organisieren, dass kein Mitarbeiter Tätigkeiten wie die Montage von Autohimmelnmehr als ein, zwei Stunden am Stück versehen muss.
Rudow, der sich mit Stress und Stressbewältigung, mit Gesundheitsproblemen und Fragen rund um die Arbeitssicherheit auseinandersetzt, arbeitet seit mehreren Jahren mit dem Auto-Konzern zusammen, bekam Projekte in Wolfsburg, Sachsen und Brüssel übertragen. René Walther, einer seiner Studenten, vergleicht im Rahmen derDiplomarbeit die Bedingungen in VW-Werken in West- und Ostdeutschland und in Belgien. Die Merseburger kooperieren aber auch mit Unternehmen der Region - darunter Dow Chemical, die Mitteldeutsche Erdölraffinerie und die Stadtwirtschaft Halle. Denn das Thema Gesundheitsförderung hat Konjunktur - ausgelöst auch durch den seit Mitte der 90er Jahre geltenden neuen gesetzlichen Rahmen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Betrieben und im öffentlichen Dienst. Dieser fußt auf der Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation WHO, die unter Wohlbefinden mehr versteht als die Abwesenheitvon Krankheit: einen Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Bei Volkswagen werden Kurse in der Rückenschule vom Betrieb bezahlt, und einmal die Woche kommt eine Physiotherapeutin.