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Energiequellen Energiequellen: Grünstrom treibt Karussell an

Von STEFFEN HÖHNE 19.05.2011, 20:54

Halle (Saale)/LEIPZIG/MZ. - Die Stadt Leipzig will ab kommendem Jahr 50 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Energiequellen beziehen. Dies beschloss der Stadtrat am Mittwochabend. Die Messestadt will damit ein Zeichen setzen. Doch: "Warum halbe Sachen und nicht konsequent 100 Prozent Grünstrom", fragt Thomas Pilgram, Chef des Leipziger Ökostromanbieters Clean Energy Sourcing. Der Stromhändler, früher eine Tochter des Solarzellenherstellers Q-Cells, hat sich darauf spezialisiert, Großkunden wie Kommunen und Industrieunternehmen komplett mit Strom aus Windkraft-, Wasserkraft- und Biogasanlagen zu versorgen.

Händler mit Umsatzsprüngen

Seit Jahren wächst das Geschäft mit grünem Strom für private Haushalte. Für Gewerbe- und Industriekunden spielte Ökostrom bisher praktisch keine Rolle. Zu teuer, hieß es. Doch dies beginnt sich offenbar zu ändern. Dutzende Energieversorger bieten bereits reine Ökostromtarife für Großabnehmer an. "Unsere Kunden zahlen für Grünstrom nicht mehr als bisher", sagt Pilgram.

Und so funktioniert das Konzept: Clean Energy Sourcing kauft Ökostrom bei den Betreibern etwa von Windkraftanlagen ein und beliefert damit seine Kunden. Schwankungen in der Einspeisung werden über stündliche Ein- oder Verkäufe an der Leipziger Strombörse ausgeglichen. "Am Ende des Jahres muss die Bilanz aber stimmen", so Pilgram. Gewinn schlägt der Energiehändler vor allem daraus, dass er als direkter Vermarkter von Ökostrom keine Umlage für erneuerbare Energien zahlen muss, die sonst für alle Energieversorger fällig wird. Im Jahr 2010 stieg der Umsatz der Leipziger um 150 Prozent auf 120 Millionen Euro. Der Gewinn lag bei 1,8 Millionen Euro.

Steigende Absätze verbucht auch Greenpeace Energy. "In den vergangenen zwei Monaten haben sich die Abschlüsse verdreifacht", sagt Olaf Altmann. Greenpeace handele aber nicht an der Börse, sondern kaufe nur Ökostrom ein. Insgesamt habe das Unternehmen rund 7 500 Geschäftskunden.

Ökostrom beziehen nach Einschätzung von Energieexperten Eberhard Jochem vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI vor allem Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen direkt an private Kunden verkaufen. Konzerne wie der Lebensmittelriese Danone oder der Sportartikelhersteller Puma vermarkten sich öffentlichkeitswirksam als Klimaschützer. Aber auch Mittelständler ziehen nach. Ostdeutschlands größter Freizeitpark Belantis südlich von Leipzig bezieht seit Saisonstart Strom aus erneuerbaren Energien. "Unsere Kinder sollen in einer gesunden Umwelt aufwachsen", sagt Belantis-Chef Nikolaus Job.

Mehrkosten von bis zu zwei Cent

Der Freizeitpark beschäftige sich bereits seit mehreren Jahren mit dem Thema. "Jetzt wollten wir auch handeln." Der komplette Energiebedarf werde von der Natur21 GmbH, einer Tochter der Stadtwerke Leipzig, gedeckt. Der Freizeitpark hält sich jedoch bedeckt, wie viel mehr er für den sauberen Strom nun zahlen muss.

Energieexperten gehen von Mehrkosten von 0,3 bis zwei Cent je Kilowattstunde aus. Dies hänge stark vom benötigten Volumen ab. Der Naturkosmetik- und Arzneimittel-Hersteller Weleda aus Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) bezieht bereits seit 2009 zertifizierten Ökostrom. Mit einem Jahresverbrauch von 5,5 Millionen Kilowattstunden gilt das Unternehmen als Großabnehmer. "Durch langfristige Verträge haben wir uns günstige Konditionen gesichert", sagt Holger Biller, Leiter Nachhaltigkeitsmanagement. "Als Anbieter von ökologischen Produkten wollen wir auch eine umweltfreundliche Produktion."

Diesem Credo folgen immer mehr Firmen. Noch ist Ökostrom für die Industrie eine Nische. Weniger als ein Prozent aller Unternehmen sind engagiert, schätzt Jochem. Dass sich Großabnehmer allerdings überhaupt für Grünstrom interessieren, sei vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen.