Energiehandelsplatz Energiehandelsplatz: Hochspannung an der Leipziger Strombörse
Leipzig/MZ. - Es sind lange Zahlenreihen, die Thomas Drescher auf seinen beiden Computern durchgeht. Der Mitarbeiter der Leipziger Strombörse EEX European Energy Exchange AG prüft die Gebote der Händler, die sie für die Mittags-Auktion per Internet ins Börsensystem geschickt haben, noch einmal auf mögliche Fehler. "Das hat schon so manchem Handels-Teilnehmer viel Geld gerettet."
In der EEX-Auktion werden Stromlieferungen für den Folgetag gehandelt. Energieversorger, Händler und Großverbraucher kaufen und verkaufen hier kurzfristig Strom, um das eigene Portfolio auszugleichen. Die Preisspanne reicht von Null bis 3000 Euro je Megawattstunde (MWh). Im Extremfall werden tatsächlich 6000 MWh für Null Euro verschenkt, wie am 1. Januar 2003 in Stunde neun.
Damals traf sich geringe Nachfrage über den Jahreswechsel mit einem großen Angebot an Wind- und Wasserkraft. Einige Händler hatten sich mit zuviel Strom eingedeckt und mussten ihn zu jedem Preis loswerden, da sich Elektrizität kaum wirtschaftlich lagern lässt. Andererseits klettern die Preise bei Stromknappheit aber auch kräftig, wie am 7. Januar 2003, als die Händler für Stunde 19 den bisherigen EEX-Rekordpreis von reichlich 1700 Euro/MWh für eine Strommenge von insgesamt 5700 MWh zahlten, um ihre Lieferverpflichtungen erfüllen zu können.
In solchen Situationen lohnt es sich sogar für die Betreiber von wärmegeführten Heizkraftwerken, ihre im Sommer eigentlich stillgelegten Anlagen anzuwerfen und den Strom über die Börse zu verkaufen. Im Handelsraum der EEX steigt bis zur Auktion um zwölf Uhr die Spannung: Viele Teilnehmer warten mit ihren Geboten buchstäblich bis fünf vor Zwölf, um auf neueste Entwicklungen im Strommarkt reagieren zu können. Das geht mitunter schief - wenn sie vergessen, die längst erstellten Gebote dann auch ins EEX-System zu schicken.
"Wir haben einige Händler schon aus der Kantine geholt", berichtet Dreschers Kollegin Anja Kurth. Diesmal telefoniert sie vergeblich einem Händler hinterher, der auch bis zum allerletzten Nachzügler-Termin nicht mehr erreichbar ist und damit an der Auktion nicht teilnehmen kann. Derzeit werden am so genannten Spotmarkt der EEX von 99 Teilnehmern aus 13 Ländern durchschnittlich zehn Prozent des deutschen Stromverbrauchs gehandelt. Vorstandschef Hans-Bernd Menzel ist damit schon sehr zufrieden: Er hält maximal einen Anteil von 20 Prozent für erreichbar.
Die hier ermittelten Preise sieht er bereits europaweit als anerkannten Maßstab auch für bilaterale Stromgeschäfte zwischen den Unternehmen.
12.15 Uhr startet Thomas Drescher die Auktion. Zwei Minuten braucht der Rechner, um die Preise und Mengen zu ermitteln, die dann für die Handels-Teilnehmer verbindlich sind. Schließlich erscheint die Handelsmenge auf dem Bildschirm: 146189,6MWh waren es heute, der Preisindex Phelix Base liegt bei 36 Euro/MWh. Während der Strom in Stunde vier ganze 18Euro kostet, ist er in Stunde 19mit 58Euro mehr als dreimal soviel wert. In den folgenden zwei Stunden sorgen die Börsen-Mitarbeiter mit dem so genannten Clearing für reibungslose Zahlungsflüsse zwischen den Handelspartnern und erstellen die Fahrpläne, nach denen die gehandelten Strommengen am nächsten Tag durch die Bilanzkreise der vier großen deutschen Netzbetreiber fließen.