Dioxin-Skandal Dioxin-Skandal: Kontrolle der Industrie versagt
Berlin/Kiel/AFP. - In einigen Proben war nach Angaben des Kieler Agrarministeriums fast 78 mal so viel Dioxin enthalten wie erlaubt. Bis zu 150 000 Tonnen Futter mit dem krebserregenden Stoff können große Mengen von Eiern, Geflügel- und Schweinefleisch verunreinigt haben. Bisher sind bundesweit über 4 700 Betriebe wegen des Dioxinverdachts gesperrt worden, die meisten in Niedersachsen.
Staatsanwalt ermittelt
Offenbar hat die Eigenkontrolle der Lebensmittelindustrie versagt. Bereits im März 2010 hat laut dem Kieler Ministerium ein privates Labor erhöhte Dioxinwerte im Futterfett der Firma Harles und Jentzsch gemessen. Anstatt die erhöhten Werte pflichtgemäß zu melden, hat der Betrieb den gesamten Lebensmittelmarkt mit vergifteten Gütern überzogen. Gegen den Konzern ermittelt aber erst seit dieser Woche die Staatsanwaltschaft Itzehoe.
Anreicherung im Fett
Dioxin reichert sich vor allem im Fett an und konnte deshalb bisher vor allem im Eigelb von Hühnereiern nachgewiesen werden. Sollten sich auch im Fleisch Überdosen des chlorhaltigen Giftes finden, kann diese Ware wie die Eier in den Supermarktregalen gefunden werden. "Wir könnten nachverfolgen, welcher Schlachter welches Fleisch verwendet hat", so Frank Seidlitz vom nordrhein-westfälischen Verbraucherministerium.
Allerdings wäre die Ware niemals im Handel gelandet, hätten staatliche Kontrolleure rechtzeitig den Futtermittel-Betrieb Harles und Jentzsch untersucht. Aber nach dem BSE-Skandal um Rinderwahnsinn 2001 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung es der Ernährungsindustrie überlassen, ihre Produkte zu kontrollieren. Das von den Firmen selbst verliehene Siegel für "Qualität und Sicherheit", QS, prangt seitdem auf nahezu jedem Lebensmittel.
"Der Staat hat die Kontrolle aus der Hand gegeben", sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin der Umweltschutzorganisation BUND. "Nur eine unabhängige Kontrolle schützt den Verbraucher." Schon 2003 seien bei Futtermittelfirmen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen erhöhte Dioxinwerte gemessen worden. "Die belastete Ware wurde dennoch von QS-zertifizierten Futterherstellern verarbeitet", so Benning. Tatsächlich fehlen 1 500 staatliche Lebensmittelkontrolleure in Deutschland. So könne nur jeder zweiten Betrieb überprüft werden.
Die Lebensmittelindustrie weist jede Verantwortung zurück an die Futtermittel-Betriebe. "Die Lebensmittelhersteller müssen sich darauf verlassen können, dass die Vorstufen sauber arbeiten", sagt Matthias Horst von der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie.