DaimlerChrysler DaimlerChrysler: Die ebenbürtigen Gegner Kerkorian und Schrempp
Wilmington/dpa. - Es sollte die «Eheschließung im Himmel», die größte Fusion in der Automobilgeschichte sein: Der Zusammenschluss zwischen Daimler-Benz und Chrysler 1998. Doch nach fünf Jahren steht hinter der Erfolgsbilanz des ehrgeizigen Projekts immer noch ein Fragezeichen, und die Umstände der Fusion beschäftigen ein amerikanisches Gericht. In dem spektakulären Prozess des Milliardärs Kirk Kerkorian gegen DaimlerChrysler geht es um viel Geld und persönliche Eitelkeiten, aber auch um die Frage, was Macht und Verantwortung in einer globalen Wirtschaft bedeuten.
Kirk Kerkorian (86), der Finanzjongleur aus Las Vegas, und Jürgen Schrempp (59), der Autoboss aus Stuttgart, haben viel gemeinsam: Sie bewegen Unternehmen und Menschen und verlassen sich dabei auf ihren Instinkt. Von dem Zusammenschluss der beiden Autohersteller versprachen sich beide ein gutes Geschäft: Kerkorian, der damals größte Chrysler-Aktionär, setzte auf steigende Kurse und Schrempp auf weltweite Synergien. Die Krise der amerikanischen Autoindustrie, die in eine selbstmörderische Rabattschlacht ausuferte, machte solche Hoffnungen jedoch vorerst zunichte, und Kerkorian und Schrempp wurden zu Gegnern.
In einem fensterlosen, mit dunklem Holz getäfelten Saal des Bezirksgerichts in Wilmington (US-Bundesstaat Delaware) verbreiten die Anwälte beider Seiten seit Anfang der Woche zwei unterschiedliche Versionen der Geschichte des Unternehmens DaimlerChrysler. In der einen Fassung heckten deutsche Manager die geheime Übernahme eines amerikanischen Traditionsunternehmens aus. Ein unschuldiger Investor wurde dabei hinters Licht geführt und finanziell geschädigt. In der anderen Version versucht ein raffgieriger Großaktionär, Geld von zupackenden Managern zu erpressen, die stets im Gesamtinteresse des neu geschaffenen Konzerns handelten.
Kerkorian gewährte dem Gericht bei seinem Auftritt im Zeugenstand Einblick in die Weltanschauung eines amerikanischen Self-Made-Mannes, der sich hellwach und kämpferisch präsentierte. Die bohrenden Fragen von DaimlerChrysler-Anwalt Jonathan Lerner blockte er im Kreuzverhör gekonnt ab: «Sie denken sich hier Geschichten aus, und ich höre Ihnen zu.» Seine häufigen Gedächtnislücken waren wohl weniger ein Zeichen hohen Alters als ein Beleg für die gründliche Vorbereitung Kerkorians durch seine eigenen Anwälte.
Schrempp, der sich selbst als Schachspieler bezeichnet, wird bei seiner Aussage Anfang kommender Woche vermutlich genauso selbstbewusst taktieren. Entscheiden muss am Ende Richter Joseph Farnan, Jr. (58), der die Rituale der Anwälte ohne große Regungen verfolgt und auf Zwischenfragen verzichtet. Nur selten notiert er sich etwas. Es scheint, als habe Farnan sein Urteil unabhängig von den Zeugenaussagen im Gericht und auf Video, von Tausenden Faxen, Tabellen und Notizen schon längst gefällt. Klar ist dabei nur eins: Ein Unentschieden gibt es nicht.