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Bundesregierung Bundesregierung: Debatte um Reform der Lebensmittelkontrollen

06.09.2006, 14:16

Berlin/dpa. - Die Länder müssten sich aber zu einer gemeinsamen Informationsplattform bereit erklären.

«Es geht nicht, dass jeder alles für sich behält und sich anschließend wundert, dass flächendeckend Verfehlungen auftreten», sagte Merkel.

Die Verbraucherminister von Bund und Ländern treffen sich an diesem Donnerstag zu einer Sondersitzung in Berlin, um Konsequenzen aus dem Gammelfleischskandal zu ziehen. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) sieht trotz Widerstands aus den Ländern Chancen für eine Reform der Lebensmittelkontrollen. «Ich werde nicht ruhen, bevor das nicht erfüllt ist», sagte er der dpa. Seehofer will die Länderkontrollen vom Bund her koordinieren und ein einheitliches Qualitätshandbuch einführen. Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) gab seinen Widerstand gegen bundeseinheitliche Standards nach monatelangem Streit auf.

«Wir wollen Qualitätsstandards», sagte Schnappauf am Dienstagabend in der «Münchner Runde» des Bayerischen Fernsehens. «Was wir nicht wollen, ist, dass wir eine neue Bundesoberbehörde schaffen.» Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg (CDU) hält einheitliche Standards für sinnvoll, lehnt aber mehr Mitsprache des Bundes ab. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) ist gegen mehr Bundeskompetenzen.

Schnappauf wies den Vorwurf zurück, dass Bayern seit Monaten von Gammelfleischlieferungen durch Fehletikettierungen eines Großhändlers aus München gewusst habe. Bei einer Kontrolle im Dezember 2005 «hat sich herausgestellt, dass die Falschetikettierung bereits in Italien vorgenommen worden war», sagte er. Im Februar 2006 hatten die Behörden in Mannheim (Baden-Württemberg) nach eigenen Angaben die Regierung in Oberbayern über Gammelfleischlieferungen des Münchner Händlers informiert. Bei einem Mannheimer Zwischenhändler sei bei einer Routinekontrolle im Dezember falsch etikettiertes Fleisch aus München gefunden worden.

Seehofer sorgt nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» mit seinen Forderungen nach mehr Verantwortung des Bundes für Unmut in der bayerischen CSU-Regierung. Schnappauf gerät nach Angaben der «SZ» auch in den eigenen Reihen unter Druck. Der Landtagsabgeordnete Sebastian von Rotenhan sagte, für ihn sei es eine Frage der politischen Kultur, dass der Minister die Verantwortung übernehme.

Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Bärbel Höhn, forderte eine grundlegende Reform der Kontrollstrukturen und warnte vor Kumpanei. Es sei ein grundsätzliches Problem, dass die Kontrollen in vielen Ländern zu stark auf kommunaler Ebene angesiedelt seien, sagte sie im RBB-Inforadio. Höhn forderte in der «Berliner Zeitung» erneut Änderungen am Gesetz für mehr Verbraucherinformationen. Die Veröffentlichung der Namen von Gammelfleischanbietern sei nicht genug. Merkel forderte die Länder dazu auf, dem Gesetz am 22. September im Bundesrat zustimmen.

Die Ernährungs- und Lebensmittelindustrie sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. «Der jüngste Skandal um das so genannte Gammelfleisch ist ein Einzelfall, den man bei konsequentem Handeln der Behörden hätte vermeiden können», sagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham. Auch die Lebensmittelwirtschaft forderte mehr Mitsprache des Bundes bei der Koordination der Kontrollen. Der Verband hält die Schutzvorschriften des Lebensmittelrechts allerdings für ausreichend. (dpa)