Biokraftstoff Biokraftstoff: Lebensmittelpreise steigen durch E10

Berlin/AFP. - E10 verschärfe «den Preisdruck dramatisch», da viel Futtermittel in der Gewinnung von Biogas und Bioethanol verschwinde, sagte der Geschäftsführer von Tönnies Fleischwerk, Clemens Tönnies, der «Bild"-Zeitung vom Freitag. Regierung und Bauernverband wiesen Mutmaßungen über eine deutliche Verteuerung durch E10 zurück.
Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, Peter Becker, sagte in der «Bild"-Zeitung Preiserhöhungen von drei bis fünf Prozent bei Backwaren voraus. «Es ist absurd, Getreide zu verbrennen, während manche Menschen auf der Welt nicht genug zu essen haben», sagte Becker. Der Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter verwies in dem Blatt darauf, dass im vergangenen Jahr weltweit 142 Millionen Tonnen Getreide für Biosprit verbraucht worden seien - «genug, um 420 Millionen Menschen ein Jahr lang zu ernähren». Mit jeder 50-Liter-Tankfüllung des Biokraftstoffs E10 liefen 15 Kilogramm Getreide in den Tank.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) rechnet ebenfalls mit steigenden Lebensmittelpreisen. «Bei Produkten aus Schweine- und Rindfleisch rechnen wir mit Preiserhöhungen zwischen 15 und 20 Prozent», sagte BVE-Vorsitzender Jürgen Abraham der Zeitung. Bei Milchprodukten wie Käse und Joghurt werde es eine Verteuerung um zehn bis 15 Prozent geben. In einer in Berlin verbreiteten Erklärung äußerte sich die BVE besorgt über den zunehmenden Einsatz von Agrarrohstoffen für die Energieerzeugung. In der Landwirtschaft müsse die Lebensmittelproduktion «Priorität haben».
Das Bundesagrarministerium vertrat die Auffassung, der «Faktor E10» beeinflusse die Agrarrohstoff-Preise «allenfalls in sehr geringem Umfang». Der weltweite Trend zu längerfristig steigenden Lebensmittelpreisen habe vielfältige Gründe, erklärte ein Sprecher in Berlin. Dazu zählten das Wachstum der Weltbevölkerung und steigende Kosten durch Öl, Gas und Löhne. Letztere wirkten sich in der Ernährungswirtschaft stärker aus als die Agarrohstoff-Preise. Bei der Frage «Tank oder Teller» gelte grundsätzlich, dass der Anbau von Nahrungsmitteln immer Vorrang haben müsse vor dem Anbau von Energiepflanzen. «Die Position der Bundesregierung ist hier eindeutig, denn die landwirtschaftlich nutzbare Fläche zur Produktion von Nahrungsmitteln ist weltweit begrenzt.»
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sprach von einer «schrägen E10-Debatte», angesichts derer sich die Bauern «nur die Augen reiben» könnten. «Da kommen wir nach Jahrzehnten endlich aus der Tretmühle sinkender Milch-, Getreide- und Fleischpreise heraus, dann wird daraus eine 'Verknappung für die Welternährung'», kritisierte Sonnleitner in Berlin. Der Bauernpräsident erinnerte zugleich daran, dass Biokraftstoffe als «Koppelprodukt» Eiweißfuttermittel lieferten, «die ansonsten aus Übersee importiert werden müssten».
Auch die CSU-Agrarexpertin Marlene Mortler warnte vor einer systematischen Verbraucherverunsicherung in der Debatte um E10. «Die Einführung von E10 ist kein Wahnsinn, sondern ein Gewinn für unser Klima und unsere Landwirtschaft.» Die FDP-Agrarexpertin Christel Happach-Kasan kritisierte, die Verteuerung von Lebensmitteln auf die Einführung von E10 zu schieben sei Verbrauchertäuschung.