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Analyse Analyse: Kreuth wird zum Schicksalsort

Von Carsten Hoefer 14.01.2007, 14:38

München/dpa. - Aber das scheint nicht zu funktionieren. «Der will kämpfen», sagt ein CSU-Vorständler. Die Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth könnte in dieser Woche eine Vorentscheidung bringen. Das ehemalige Kurbad nahe dem Tegernsee wird zum Schicksalsort.

Die neueste Umfrage vom Wochenende ist ein Albtraum für die CSU. Die Stoiber-Krise hat laut ZDF-Politbarometer derart auf die Stimmung im Lande durchgeschlagen, dass nur noch 45 Prozent die CSU wählen würden - 15 Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl 2003. Außerdem sind 65 Prozent der Bayern gegen Stoiber als CSU- Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2008. Sogar 52 Prozent der CSU- Anhänger lehnen demnach eine Stoiber-Kandidatur ab. Auf mehreren CSU- Neujahrsempfängen am Wochenende war die Stoiber-Krise Hauptthema.

In Parteiführung und Landtags-CSU herrschen Konfusion und Verwirrung. In der aufgeheizten Stimmung dürfe man bloß nichts überstürzen, heißt die Devise. «Eine ad-hoc Lösung wäre nicht sinnvoll», sagt ein Präside der dpa. Doch die Ereignisse überstürzen sich. Fraktionschef Joachim Herrmann stellt als erster CSU- Spitzenpolitiker öffentlich Stoibers Spitzenkandidatur in Frage: «Es ist unüberhörbar, dass sich die Stimmen mehren, dass man vielleicht doch in einer anderen Formation in die Landtagswahl 2008 gehen will», sagt er dem Bayerischen Rundfunk. Laut Münchner «Abendzeitung» soll Stoiber eine goldene Brücke für einen Rückzug in Würde gebaut werden.

In der Landtagsfraktion kursieren unterdessen wilde Gerüchte über mögliche Nachfolgekonstellationen: Innenminister Günther Beckstein der neue Ministerpräsident, Wirtschaftsminister Erwin Huber der neue Fraktionschef, lautet ein Modell. Oder vielleicht doch lieber Huber als Regierungschef? Abgeordnete der CSU-Landesgruppe im Bundestag verfolgen die Vorgänge in der Landtagsfraktion mit Entsetzen. «Ein Hühnerhaufen», sagt einer, und fügt hinzu: «Verheerender Schaden».

Doch Stoiber will nicht gehen. «Ohne ihn, gegen ihn, das zerreißt die Partei», sagt ein Vorständler. «Das würde vielleicht einen Riss verursachen, der nicht mehr zu kitten ist». Das weiß natürlich auch Stoiber - und darum bleibt er. Der CSU-Chef arbeitet fieberhaft an seiner Rettung: Laut «Bild am Sonntag» will er einen gemeinsamen Fahrplan mit Landtagspräsident Alois Glück und Herrmann, eine Serie von Regionalkonferenzen mit der Basis, vielleicht einen vorgezogenen Parteitag.

Dennoch wird Beckstein in mehreren Zeitungen als wahrscheinlichster Nachfolger genannt, aber auch Huber ist wohl noch im Rennen. Beide sehen die Gefahren und beschwören am Wochenende, sie würden nie gegen Stoiber antreten. «Es gibt keinen Putsch», sagt Huber, «ich unterstütze Edmund Stoiber.» Parteivize Horst Seehofer wird immer wieder als neuer CSU-Vorsitzender genannt.

Einzelne CSU-Landtagsabgeordnete wagen sich aus der Deckung: «Wenn ich mich draußen so umhöre, wollen die meisten einen Wechsel, und das ist auch meine Meinung», sagt der Mittelfranke Jürgen Ströbel am Rande eines Neujahrsempfangs in Ansbach. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos bringt seine Skepsis feinsinnig zum Ausdruck: «Er wird so lange Parteivorsitzender und Ministerpräsident sein, wie ihm die Kraft reicht, diese schwere Aufgabe zu tragen», sagt er der «B.Z.»

Am Montag will Stoiber zunächst Landtagspräsident Alois Glück und Fraktionschef Herrmann zu Krisengesprächen treffen. Am Dienstag folgt in Kreuth die Aussprache mit der Landtags-CSU. Manche hoffen auf ein reinigendes Gewitter, andere befürchten einen Showdown. Der «Kreuther Geist» der Geschlossenheit wird in der CSU gern zitiert. Viele hoffen inbrünstig, dass der gute Geist nicht zum Kreuther Gespenst mutiert.