Entsetzen über Attentat auf Königin Beatrix
Apeldoorn/Amsterdam/dpa. - Das Entsetzen einer ganzen Nation hat eine Frau aus Apeldoorn in vier Worte gefasst: «Unglaublich, sprachlos, sinnlos, machtlos», steht auf einem handgemalten Plakat am Monument De Naald, auf das der Königinnen-Attentäter am Donnerstag mit seinem Kleinwagen prallte.
Kaum etwas symbolisiert die Tragik des Geschehens am niederländischen Nationalfeiertag stärker als dieser nun geschändete Obelisk. Er war 1901 zu Ehren von Königin Wilhelmina und als Zeichen der Verbundenheit zwischen dem Volk und der Oranier-Dynastie aufgerichtet worden.
Doch genau die ist nun durch die wahnsinnige Tat des 38-jährigen Arbeitslosen Karst T. ins Wanken geraten. «In Apeldoorn ist eine nationale Illusion kaputtgemacht worden», klagt die Zeitung «de Volkskrant». «Die Illusion von der Unantastbarkeit der Oranier am Königinnentag.» Genau gegenüber vom königlichen Palais Het Loo, dem Stolz jedes patriotischen Niederländers, sei aus einem Freudenfest in Sekunden «ein Kriegsgebiet, eine Stadt wie im Nahen Osten» geworden. Sechs Tote, zwölf Verletzte. Kinder, Frauen und Greise unter den Opfern.
Verschwunden war am Freitag das leuchtende Orange, an dem die Holländer weltweit bei Sportereignissen auf den ersten Blick zu erkennen sind. Die Farbe der Oranier-Monarchie wich in Apeldoorn wie auch anderen Städten der Farbe des Attentatsautos vom Typ Suzuki Swift: Schwarz. «Ein schwarzes Phantom hat alle Träume weggeblasen», titelte «de Volkskrant». Und immer wieder wurde der Polizei ein und dieselbe Frage gestellt: «Was wäre, wenn der Attentäter sein Auto mit Sprengstoff vollgeladen hätte?»
Die Antwort konnte sich jeder ausmalen. Bis auf wenige Meter näherte sich der schwarze Suzuki am Donnerstag gegen 12.00 Uhr dem offenen und vergleichsweise flachen Festbus, in dem Königin Beatrix ihren gut gelaunten Untertanen zuwinkte. Mehr als 200 000 Menschen jubelten an den Straßenrändern. Im Bus stand direkt hinter Königin Beatrix (71) - ebenfalls fröhlich winkend - das künftige Königspaar der Niederlande. Thronfolger Prinz Willem-Alexander (42) und seine argentinische Frau Prinzessin Máxima (37). Schwestern, Brüder, Tanten, Nichten - fast die gesamte königliche Familie.
Eine Explosion gab es nicht. Doch es bleibt die schaurige Gewissheit: Es wäre möglich gewesen, in unmittelbarer Nähe der königlichen Familie eine verheerende Autobombe zu zünden. Augenscheinlich hatte der Anschlag, den der später seinen schweren Verletzungen erlegene Karst T. nach eigenem Bekunden auf die königliche Familie vorhatte, keine terroristischen Motive. Dennoch herrscht nun bei den Sicherheitsdiensten höchste Alarmstufe.
Und alle Experten gehen davon aus, dass dieser Königinnentag der letzte war, an dem das Nordsee-Königreich vor den Augen der Welt einen ungezwungenen, offenen, liberalen Umgang zwischen Volk und Royals demonstrierte. Eine Königsfamilie zum Anfassen - das war seit fast 200 Jahren der Stolz der Niederländer. Damit ist es wohl für lange Zeit vorbei.
Und diese Zeitenwende wird für immer mit dem Namen von Karst T. aus dem Städtchen Huissen südlich von Arnheim verbunden sein. Ob er das so wollte, gehört zu den Geheimnissen, die er mit ins Grab nimmt. Er starb in der Nacht zum Freitag, wenige Stunden nachdem Ärzte alles versucht hatten, um seine innere Blutungen zu stoppen, sein Leben zu retten. Er hätte es vermutlich bis zum letzten Tag hinter Gittern verbracht. Lebenslange Haft schreibt das Gesetz bei Anschlägen auf die Königin vor.
Doch was trieb den Mann? Von Verzweiflung ist in den Medien die Rede. Er habe sehr zurückgezogen gelebt, berichteten Reporter des Massenblatts «De Telegraaf». Fast ein Einzelgänger sei er gewesen. «Den haben wir hier nur ganz selten zu Gesicht bekommen», hieß es in der Kneipe in seiner Nachbarschaft. Von Geselligkeit, wie sie für Niederländer so wichtig ist, hielt Karst T. offenkundig nichts.
Aber sehr ordentlich sei er stets gewesen, berichtet sein Vermieter Sem Bosman. «Er hat auch stets pünktlich seine Miete bezahlt», sagt er und erteilt Gerüchten eine Abfuhr, dass der Mann pleite gewesen sei und sich aus Verzweiflung darüber spontan zu der Wahnsinnstat entschlossen haben könnte. Fragen über Fragen türmen sich auf. Eine Sonderkommission aus 250 Polizisten, Kriminalisten, Psychologen und Gerichtsmedizinern soll sie beantworten. Ein ganzes Volk wartet darauf.