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Staatsgründer Staatsgründer: Großeinsatz im Königreich

Von Markus wagner 26.04.2013, 19:06
Mehr als hundert Polizisten durchsuchten auf Antrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gestern zwölf Standorte des selbsternannten Königreiches Deutschland.
Mehr als hundert Polizisten durchsuchten auf Antrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gestern zwölf Standorte des selbsternannten Königreiches Deutschland. Kuhn Lizenz

Wittenberg/MZ - Die Fahnder hatten jede Menge Zeit mitgebracht. Morgens um neun Uhr fuhren zwei schwarze Limousinen unauffällig vor dem Esoterikladen „Engelswelten“ im Wittenberger Stadtzentrum vor. Dann begannen Beamte mit der Durchsuchung der Räume, von denen aus der Wittenberger Peter Fitzek in den letzten Jahren Aufbau und Gründung eines eigenen „Staates“ betrieben hatte.

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Staatsaffäre, die vor sieben Monaten mit einer feierlichen Zeremonie in einer alten Werkhalle eines Chemiebetriebes in Wittenberg begann. Damals hatte sich der gelernte Koch und Karatelehrer Peter Fitzek vor hunderten von Anhängern zum „Souverän“ des „Königreiches Deutschland“ krönen lassen. Samt Mantel und Zepter.

Fantasiewährung „Neue Deutsche Mark“

Zwar hatten Mitstreiter des 47-jährigen gebürtigen Hallensers bereits im November den Aufstand gegen den Monarchen geprobt. Doch es gelang Fitzek, die auf dem neun Hektar großen Gebiet eines früheren Krankenhauses residierenden Anhänger seiner Eigenbau-Monarchie wieder auf sich einzuschwören. Bei einem „Tag der offenen Tür“ Ende März präsentierte der Mann mit dem Zopf zuletzt seine politischen Visionen vom unabhängigen Kleinstaat. Zudem zeigte sich die „Königliche Reichsbank“, die Fitzek-Jüngern in Zukunft zinslose Geldanlagen in der Fantasiewährung „Neue Deutsche Mark“ anzubieten verspricht.

Vielleicht ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Am Donnerstag machte die Staatsanwaltschaft ernst: Mehr als hundert Polizeibeamte durchsuchten zwölf Standorte des „Königreiches“, darunter auch das „Staatsgebiet“ auf einem ehemaligen Krankenhausgelände und die „Staatskanzlei“ in einem Bürokomplex am Stadtrand. Auslöser der Aktion war eine Anzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), wie deren Sprecher bestätigte. Die Bafin hatte Fitzek mehrfach abgemahnt, weil der Staatsgründer ihrer Ansicht nach mit seiner „Neuen Deutschen Rentenkasse“ unerlaubte Versicherungsgeschäfte betrieb.

Peter Fitzek aber hatte sich dadurch nicht beirren lassen. Die Macht des Staates Bundesrepublik über sich erkennt er erklärtermaßen nicht an, immer wieder machte er das mit provokanten Aktionen deutlich. Einmal fertigte er für sein Auto selbst Kennzeichen an. Ein andermal nahm er eine Mitarbeiterin der Stadt Wittenberg vorläufig fest, weil diese einem Anliegen nicht wunschgemäß entsprochen hatte. Zuletzt lieferte er sich im Kampf um ein seiner Ansicht nach „pornografisches“ Aufklärungsbuch ein Handgemenge mit Lehrerinnen der Schule seines Sohnes.

Fitzek bedient die Sehnsucht vieler Menschen

Fitzek trägt die auf solche Aktionen folgenden Hausverbote wie Ehrenauszeichnungen, gelten sie ihm doch ebenso wie gelegentliche Gerichtsverfahren als Beweis für seinen Heldenmut ihm Kampf gegen das, was er „das alte System“ nennt. Aus dem ist er seiner eigenen Überzeugung nach längst ausgestiegen. Er habe als Meldeadresse einen Briefkasten auf einem Grundstück in Südamerika, behauptet er. „Wer was von mir will, kann dorthin schreiben.“

Oder er kommt zu den Wochenend-Seminaren, bei denen der Autodidakt über „Staatsrechtliches Grundlagenwissen“, alternative Heilungsmethoden oder „freie Energie “ referiert. Tausende aus ganz Europa pilgerten in den vergangenen Monaten trotz teilweise sehr hoher Teilnahmegebühren zu Vorträgen über „Die Macht der Gedanken“ oder zu freiwilligen Arbeitseinsätzen, die Fitzek „Vision wird Tat“ getauft hatte.

Fitzek bedient die Sehnsucht vieler Menschen nach einer Parallelwelt ohne Eurokrise, Finanzspekulation und Globalisierung perfekt. Wortgewandt und belesen verblüfft der selbsternannte Staatsmann seine freiwilligen Untertanen mit immer neuen Plänen, die er meist direkt auf die Trümmer gescheiterter Versuche pflanzt. Eigentlich hatte er Deutschland neugründen wollen, weil die „Bundesrepublik eben nicht Deutschland ist“, wie er Besuchern gern und mit Hilfe weitschweifiger Verweise auf Besatzungs- und Völkerrecht erläutert. Dann aber wurde aus der geplanten „echten Demokratie“ ein absolutistischer Staat, in dem nur einer das Sagen hat: Peter Fitzek.

Spricht er nicht, ist es still auf dem Krankenhausgelände, dessen ehemaliges Haupttor nach Ansicht des Monarchen seit Herbst vorigen Jahres ein „ganz normaler Grenzübergang“ ist. Still wie am Donnerstag, als auf allen neudeutschen Telefonanschlüssen nur Anrufbeantworter anspringen. Auch die Facebook-Seite des Königreiches geht nicht auf die Durchsuchungsaktion ein, ebensowenig die Internetpräsenz von „Neudeutschland“. Dort steht als nächster Staatstermin immer noch der Samstag: Zehn Uhr Treff am Grenzübergang. Danach stehen Frühjahrsputz in der Außenanlage, Wiederaufbau eines Gewächshauses und Teilräumung des Engel-Ladens in der Innenstadt an. Dorthin soll demnächst nämlich die „Königliche Reichsbank“ ziehen. Wenn die Bafin deren Tätigkeit nicht am Donnerstag schon beendet hat.

Peter Fitzek in einem der Gebäude seines „Königreiches“
Peter Fitzek in einem der Gebäude seines „Königreiches“
Steffen Könau Lizenz