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Theologe Roland M. Lehmann Theologe Roland M. Lehmann: Auf Luthers Spuren in Kemberg

Von KARINA BLÜTHGEN 17.11.2015, 19:40

KEMBERG - Die Kemberger sind noch heute stolz darauf, dass Martin Luther des öfteren im Ort war und auch in der Kirche gepredigt hat. Bislang hieß es, dass der Reformator hier 13 Predigten gehalten habe. Nun hat Roland M. Lehmann, Doktor der Theologie an der Jenaer Universität, noch einmal genau recherchiert. „Elf sind eindeutig überliefert“, sagt Lehmann. Damit habe Luther in Kemberg fast so oft wie in Torgau (zwölf Mal) und öfter als in Coburg (zehn Mal) das Wort an die Gemeinde gerichtet.

Riesiges Interesse

„Kemberg besaß für Luther eine besondere Bedeutung. Ab 1521 war sein Schulfreund Bartholomäus Bernhardi hier Propst“, berichtet Lehmann, der sich im Rahmen seiner Habilitation mit Luthers Wirken außerhalb von Wittenberg beschäftigt. „Bislang fehlten eingehende Untersuchungen zum Wirken Luthers fernab von Wittenberg.“ Die Kemberger erfahren aus erster Hand von der Sichtung des Quellenmaterials. Der Bürgersaal des „Ratskellers“ ist gut gefüllt, das Interesse riesig. Man mag es kaum glauben, aber etwa zwei Drittel von Luthers Predigten, rund 2 000, sind überliefert. 300 von ihnen sind außerhalb Wittenbergs gehalten worden, „140 sind datier- und verortbar, davon 103 textlich erhalten“, so Lehmann in seinem allgemeinen Überblick über die Funde. Allein von 1522 gibt es mit 18 die Höchstzahl der überlieferten Predigten, dem Jahr, in dem Luther von der Wartburg zurückkehrte.

Kemberger Gemeinde gut im Blick

Wie eng der Kontakt des Reformators mit den Kemberger Bürgern war, lässt sich unter anderem an einem Brief ablesen, in dem er gebeten wird, sich über Georg Spalatin beim Kurfürsten in Wittenberg für eine Verbesserung des Weges von Wittenberg nach Kemberg einzusetzen. „Luther war oft in Orten, zu denen er bequem an einem Tag hin- und auch wieder zurückreisen konnte“, nennt Lehmann in dem Zusammenhang auch Pretzsch, Bad Schmiedeberg und andere Orte. Auch sonst hatte Luther offenbar die Zustände der Gemeinde in Kemberg gut im Blick. Von einer erhaltenen Doppelpredigt, gehalten am 11. Juli 1529 Vormittag und Nachmittag in Kemberg, habe der Mitschreiber sogar die Ermahnungen an die Gemeinde mitgeschrieben.

Es geht darin um den Gemeinen Kasten in Kemberg und die Spendenbereitschaft der Leute. Luther habe die Geschichte von „Gebhard und Nehmhard“ als Beispiel gewählt, dass die Kemberger offenbar keine zusätzlichen Abgaben an den Gemeinen Kasten, der bekanntlich als eine Art Sozialkasse fungierte, leisten wollten. Aktuell sei das Thema in dem Jahr durch eine von schlechtem Wetter bedingte Getreideknappheit gewesen. Dass sich viele Bürger deshalb ärmer fühlen würden als noch zur Zeit der Herrschaft des Papstes, konnte Luther offenbar verstehen.

Gegen Abstumpfung

In einer anderen Predigt vom Oktober 1534 zielte Luther auf die von Karlstadt verbreiteten Irrlehren. Neun Jahre zuvor hatte sich Luther für eine Rückkehr des Predigers in die Nähe von Wittenberg eingesetzt, die vom Kurfürsten nur genehmigt worden war, wenn sich Karlstadt jeglicher öffentlicher Auftritte und Schreiben enthalten werde. 1534 hatte Luther eine „gewisse Abstumpfung der Älteren gegenüber dem Evangelium“ beobachtet. Er ermahnte die Zuhörer, unruhige Zustände wie früher nicht wieder zuzulassen und malte ihnen ein Horrorszenario auf. (mz)