Mit Sprache spielen und modellieren
Köthen/MZ/ush. - Die Vorsitzende der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft, Prof. Dr. Uta Seewald-Heeg, knüpfte in ihrer Begrüßung an die Rede Reiner Kunzes am Tag der deutschen Sprache in Köthen an, in der Kunze ausgeführt hatte: "Am Wort hängt Geschehen, hängen Geschichten, hängt Geschichte, sie lagern sich an das Wort an." Daher lasse sich eben nicht jedes Wort einer Sprache - so Seewald-Heeg - durch ein Wort einer beliebigen anderen Sprache äquivalent ohne Bedeutungsveränderung wiedergeben - so heißt es denn auch bei Kunze: "Jede Sprache verfügt über Ausdrucksmöglichkeiten, die allein ihr Eigen sind, und die Gesamtheit dieser Ausdrucksmöglichkeiten ergibt den Sprachhorizont der Menschheit." "Schriftsteller erleben das hautnah", unterstrich Seewald-Heeg. "Sie spielen mit der Sprache, sie modellieren mit Sprache, sie geben ihren Gedanken Ausdruck durch die Sprache und materialisieren so stets immer auch einen Teil unserer Kultur."
Mit Frau Ingeborg von Rumohr war eine Schriftstellerin Gast des Köthener Sprachforums, die schon durch die Titel ihrer Lesungen, wie "Heimat, wo jede Sprache von Herzen verstanden wird" oder den Titel der Lesung in Köthen, "Zwischen Lyrik und Prosa - mit Sprache Brücken bauen", die Botschaft übermittelt, dass Sprache, dass Muttersprache ein ganz besonderes Ausdrucksmittel ist, dessen Pflege sich die Neue Fruchtbringende Gesellschaft zur Aufgabe gemacht hat.
Die Schriftstellerin Ingeborg von Rumohr wurde 1947 in Flensburg geboren, lebte in Schleswig-Holstein ebenso wie in Berlin und München, bevor sie im Allgäu ihre Heimat fand, wo sie seit 1998 als Schriftstellerin lebt und den Autorenkreis Allgäu gründete. Zuletzt ist in diesem Jahr die Erzählung "Die Kunst des Weglassens - Zwiesprache mit Carl Friedrich nicht nur über den ,Geist der Kochkunst' - Ein heiteres Kabinettstückchen" erschienen, aus der Ingeborg von Rumohr an diesem Abend auch vorlas.
Stationen des Lebens
Um spielerisch vorzuführen, welche Ausdrucksmöglichkeiten die deutsche Sprache bietet, selbst wenn man sich bei der Wahl der Wörter auf nur einen Anfangsbuchstaben beschränkt, zeigte Ingeborg von Rumohr anhand eines mit "A" betitelten Gedichts, das sie - aus dem Allgäu kommend, in Anhalt angekommen - an den Anfang ihrer Lesung setzte. Unter dem Titel "Zwischen Lyrik und Prosa - Mit Sprache Brücken bauen" las Ingeborg von Rumohr aus ihren Werken und zeichnete literarisch Stationen ihres Lebenswegs nach. Natur und Heimat spielten hier ebenso eine Rolle wie zwischenmenschliche Beziehungen. Anhand einer Erzählung über ihre Kindheit, in der sie sich über eine Zugbrücke spielerisch in der Ritterburg ihres Bruders Einlass verschaffte, machte sie deutlich, dass sprachlicher Einfallsreichtum in ihrer Argumentation die Brücke in das Innere der Burg war. Es war und ist Ingeborg von Rumohr ein Anliegen, deutlich zu machen, dass sich mit Worten Brücken bauen lassen.
Gespräch mit Vorfahren
Nach der Pause las sie aus ihrem Band "Menschen" vor, in dem sie unterschiedlichen Menschen, mit denen sie während ihres bisherigen Lebens zusammenkam, sprachlich Gestalt verlieh. Den Abschluss machte Ingeborg von Rumohr mit Auszügen aus ihrem zuletzt erschienenen Werk "Die Kunst des Weglassens".
In heiterem Zwiegespräch mit ihrem Vorfahren Carl Friedrich von Rumohr, der zu seiner Zeit äußerst fortschrittliche Ansichten vertrat, etwa über die Stellung der Frau in Ehe und Gesellschaft, und 1822 mit dem Werk "Vom Geist der Kochkunst" Erfolge feierte, stellt sie Anekdoten ihres Lebens überlieferten Erfahrungen des Ahnherren gegenüber. Das Publikum erlebte einen Abend mit teils heiteren, teils tiefgründigen literarischen Arbeiten, deren Sprache bei der Beschreibung von Natur und Leben vielfach romantisch anmutet und den Zuhörern nicht selten eigene Erfahrungen in Erinnerung rief.
In ihrem Schlusswort äußerte die Vorsitzende der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Frau Prof. Seewald-Heeg die Hoffnung, dass das Köthener Sprachforum noch viele weitere Beispiele kreativen Gebrauchs der Muttersprache geben möge und lud die Teilnehmer ein, auch in kommenden Veranstaltungen des Sprachforums über den Wert der deutschen Sprache ins Gespräch zu kommen.