Koalition streitet um Arbeitslosenbeitrag
München/Berlin/dpa. - In der großen Koalition zeichnet sich eine Kraftprobe um die milliardenteure Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab.
Trotz des Widerstands aus der Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Unions-Fraktion im Bundestag eine Senkung des Beitrags von 3,3 auf 2,8 Prozent schon im Oktober im Koalitionsausschuss zum Thema machen. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) reagierte am Donnerstag zurückhaltend und wollte sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf eine Zahlendiskussion einlassen.
Überraschend deutlich lehnte BA-Chef Frank-Jürgen Weise den Vorschlag zur Beitragssenkung auf 2,8 Prozent ab. Rechnerisch möglich sei eine Senkung auf nur 3 Prozent, sagte er in München nach einem Auftritt bei der Unions-Fraktionsklausur. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte sich die Forderung der Unions-Abgeordneten nicht zu eigen, will aber in der Koalition darüber sprechen. Die CDU-Chefin sprach in München von einem «ambitionierten Vorschlag».
Bisher war in der Koalition von einer Senkung auf 3 Prozent gesprochen worden. In der SPD wird über eine Entlastung nur der Arbeitnehmer nachgedacht. Die Arbeitgeber begrüßten dagegen die Pläne der Union. Aus Sicht von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt könnte der Beitragssatz sogar auf unter 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens sinken. Anders als die Grünen lehnte er in einer Erklärung in Berlin zugleich einen Vorstoß aus der SPD zur Neuordnung der Finanzströme zwischen der BA und dem Bund ab.
Scholz will im Herbst über die Frage reden. «Wir haben in der Koalition ein klares Verfahren vereinbart», sagte sein Sprecher Stefan Giffeler. Im Herbst werde man einen seriösen Vorschlag zur Senkung machen. «Senkungspotenzial sehen wir», fügte er hinzu. Der Vorschlag der Union bedeutet eine Entlastung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer um zusammen gut vier Milliarden Euro.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) will ungeachtet des Widerstands auch aus der BA bei seiner Linie bleiben. «Ich gehe davon aus, dass dieser Vorschlag den nächsten Koalitionsausschuss beherrschen wird», sagte er in München. Wenn die Beiträge nicht gebraucht werden, seien sie zurückzuzahlen. «Die Bundesagentur ist keine Sparkasse.» CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer erklärte, der Vorschlag stehe auf «solidester Grundlage».
Nach Ramsauers Einschätzung müsste die Bundesagentur bis 2012 im schlechtesten Fall eine Milliarde Euro aus ihrer Liquiditätsrücklage von neun Milliarden Euro entnehmen, um einen Beitragssatz von 2,8 Prozent zu halten. Auch CSU-Chef Erwin Huber drängte: «Wir halten 2,8 Prozent für machbar.» Die Reserven seien da. BA-Chef Weise mahnte jedoch zur Vorsicht: «Angesichts der unsicheren Wirtschaftslage würde ich nicht dazu raten, auf 2,8 Prozent zu gehen.» Ein Beitrag von 3 Prozent könne bis 2012 «verlässlich durchgehalten werden».
Die Grünen unterstützen den Vorstoß aus der SPD für eine Neuordnung der komplizierten Finanzströme zwischen BA und Bund. Erst nach der Entflechtung könnten die Beiträge gesenkt werden. Die BA könne sich dann auch im Abschwung und ohne die Milliarden des Bundes aus der Mehrwertsteuererhöhung dauerhaft finanzieren, erklärten Christine Scheel sowie Alexander Bonde.
Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider schlägt vor, dass die BA von der Zahlung von fünf Milliarden Euro «Eingliederungsbeitrag» befreit wird, den sie seit Jahresbeginn an den Bund abführen muss. Im Gegenzug sollten der BA die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer von derzeit rund 7,5 Milliarden Euro gestrichen werden. Dadurch könnte der Bund etwa 2,5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds stecken, um den erwarteten Anstieg der Krankenkassenbeiträge zu dämpfen.
Hundt lehnt dies ab: «In großem Einvernehmen zwischen Bund und Ländern wird ein Prozentpunkt der jüngsten Mehrwertsteuererhöhung zur Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags und damit zugunsten von mehr Arbeitsplätzen verwandt. Dabei muss es bleiben.»