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Kommunalwahl 2024 Sachsen-Anhalt: Wie groß ist der Einfluss von Ortschaften und Mitgliedsgemeinden?

Machtlos und doch einflussreich: Doch wie arbeiten Ortschaften und Mitgliedsgemeinden eigentlich? Und warum sind sie für die Bürger so wichtig?

Von Julius Lukas Aktualisiert: 03.05.2024, 15:17
Am 9. Juni finden in Sachsen-Anhalt die Kommunalwahlen statt.
Am 9. Juni finden in Sachsen-Anhalt die Kommunalwahlen statt. Grafik: MRM/Büttner

Halle (Saale)/MZ. Seit dem 1. Januar 2014 besteht Sachsen-Anhalt aus 218 selbstständigen Städten und Gemeinden. Die nichtselbständigen Ortschaften und Ortsteile von Sachsen-Anhalt gehören seit 2007 nun zu den politisch selbständigen 104 Städten (inklusive den drei kreisfreien Städten) und den 114 Gemeinden. 

Ortschaften und Mitgliedsgemeinden stehen beide am Ende der politischen Befehlskette. Ihr Einfluss auf die Entscheidungen in der Kommune sind jedoch sehr unterschiedlich. Die knapp 800 Ortschaften sind weitestgehend machtlos. Mit der Gemeindegebietsreform 2009 wurden ihnen maßgebliche Entscheidungsgewalten genommen und auf die Einheitsgemeinden übertragen.

Anders ist das bei den 114 Mitgliedsgemeinden. Aus ihnen bestehen Verbandsgemeinden. Zusammen bilden sie eine funktionelle Einheit. Mitgliedsgemeinden haben innerhalb der Kommune einen großen Einfluss. Sie besitzen zwar keine eigene Verwaltung, die Durchführung ihrer Beschlüsse übernimmt aber die Verbandsgemeinde.

Allerdings geben Mitgliedsgemeinden auch Rechte an die höhere Ebene ab, weil sie deren Ausübung alleine nicht bewältigen können. Ihre politische Eigenständigkeit unterscheidet sie jedoch von den Ortschaften.

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Welche Gemeinsamkeit haben Ortschaften und Mitgliedsgemeinden?

Zumindest eine: die Leidenschaft für Politik. Auf der Ebene von Ortschaften und Mitgliedsgemeinden arbeiten alle Funktionsträger ehrenamtlich. Sogar die Bürgermeister, die auf höheren Leveln ein Gehalt bekommen, sind hier „Feierabendpolitiker“. Die Arbeit für die Gemeinde oder Ortschaft ist nicht ihr Hauptberuf. Politik machen sie sozusagen nach dem Feierabend - und das ohne richtige Bezahlung.

Mehr zur Kommunalwahl 2024: Wie funktionieren in Sachsen-Anhalt die Kommunen?

So funktionieren Ortschaften und Mitgliedsgemeinden in Sachsen-Anhalt.
So funktionieren Ortschaften und Mitgliedsgemeinden in Sachsen-Anhalt.
Grafik: MRM/Büttner

Wie sehen die Aufgaben von Ortschaftsräten aus?

Sie vertreten primär die Interessen der Bürger ihres Ortes. Da sie aber keine politischen Entscheidungskompetenzen haben, müssen sie auf eingeschränkte Möglichkeiten zurückgreifen. Wenn es im Rat der Einheitsgemeinde um Angelegenheiten geht, die die Ortschaft betreffen, dürfen sie Vorschläge unterbreiten und eine Anhörung einfordern. Außerdem haben sie ein Teilnahmerecht an den Sitzungen des Gemeinderates.

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Der Ortschaftsrat selber darf keine Beschlüsse fassen. Es kann jedoch sein, dass ihm von der Gemeinde bestimmte Aufgaben übertragen werden. Diese müssen die Ortschaften dann mittels eines zugeteilten Haushalts erledigen. Ansonsten sind sie immer auf die Beschlüsse der Einheitsgemeinde angewiesen.

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Welche Aufgaben haben Mitgliedsgemeinderäte?

Durch ihre politische Selbstständigkeit besitzen Mitgliedsgemeinden viele Rechte, die durch ihr wichtigstes Gremium, den Gemeinderat, ausgeübt werden. Allerdings geben sie einige Aufgaben auch an die Verbandsgemeinde ab. Da sie keine eigene Verwaltung haben, sind sie ohnehin auf die Zusammenarbeit mit der höheren kommunalen Ebene angewiesen.

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Auf die Verbandsgemeinden wird beispielsweise die Schulträgerschaft übertragen. Sie sind auch für größere Straßen zwischen den Gemeinden zuständig. Da Mitgliedsgemeinden über einen Haushalt verfügen, ist die wichtigste Aufgabe des Gemeinderates, über diesen zu bestimmen.

Dabei kann das Gremium beispielsweise entscheiden, dass im Ort ein Schwimmbad gebaut wird. Wenn die Finanzen es zulassen, muss die Verbandsgemeinde diesen Beschluss umsetzen. Außerdem erlassen Mitgliedsgemeinden Satzungen. Damit regeln sie Vorgänge in ihrer Gemeinde und schaffen ein Ortsrecht. Typische Beispiele sind Friedhofs-, Bibliotheks- oder Gebührensatzung.

Wer kann Mitglied im Ortschaftsrat beziehungsweise Gemeinderat von Mitgliedsgemeinden werden?

Hier gelten die gleichen Regeln wie auf allen anderen politischen Ebenen. Wählbar sind deutsche Staatsangehörige oder Bürger der Europäischen Union. Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein und seit drei Monaten in der Gemeinde beziehungsweise dem Ort wohnen.

Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Auch eine Parteizugehörigkeit ist nicht notwendig.

Wie viele Mitglieder haben die Räte?

Die Zahl der Abgeordneten in einem Ortschaftsrat wird in der Hauptsatzung der Einheitsgemeinde, zu der der Ort gehört, festgelegt. Wenn in einem Ort bis zu 500 Menschen leben, dürfen es nicht weniger als drei und nicht mehr als neun sein. Bei mehr Einwohnern steigt die maximale Zahl auf 19. Dieser Wert wird allerdings kaum erreicht.

Für Mitgliedsgemeinden gelten die gleichen Regeln wie für alle anderen Gemeinden auch. Die mögliche Anzahl reicht von vier (unter 100 Einwohner) bis 60 (über 300 000 Einwohner). Mitgliedsgemeinden sind aber zum überwiegenden Teil kleine Orte. Die Zahl ihrer Räte bewegt sich deswegen zwischen zehn und 20.

Anders als auf den höheren kommunalen Ebenen sind die Bürgermeister von Ortschaften gleichzeitig Vorsitzende ihres Rates und leiten die Sitzungen. Auch bei Mitgliedsgemeinden ist das so.

Bilden die Räte auch Ausschüsse?

Theoretisch wäre das möglich. Die Aufgabe von Ausschüssen ist es, den Rat zu entlasten. Dort können Themen im Detail besprochen und Beschlüsse vorbereitet werden. Mitunter werden Ausschüssen auch Entscheidungsgewalten übertragen.

Klassische Gebiete für Ausschüsse sind Finanzen, Sport und Kultur. Jede Gemeinde setzt aber für sich fest, welche Ausschüsse sie bildet. Allerdings muss die Einberufung auch sachgerecht sein. Hat ein Rat nur zehn Mitglieder, dann dürfte die Bildung von Ausschüssen überflüssig sein.

Was wird gemacht, wenn es keine Bewerber für die politischen Ämter gibt?

Fehlende Bewerber sind bei der Kommunalwahl eher die Ausnahme. Trotzdem gab es dieses Problem bereits 2009 in mehreren Orten. Dort fand sich niemand, der für den Gemeinderat kandidieren wollte. In diesem Fall konnte die geplante Wahl nicht stattfinden. Sie wurde später nachgeholt. Zumeist hatten sich die betroffenen Gemeinden dann mit anderen Kommunen zusammengeschlossen.

Wenn sich über einen längeren Zeitraum niemand findet, dann wird die betreffende Gemeinde unter kommunale Aufsicht gestellt. Dieses Vorgehen ist jedoch nur die letzte Lösung.

Was ist ein Ortsvorsteher und wann wird er eingesetzt?

Insbesondere in kleinen Orten ist es mitunter nicht sinnvoll, Ortschaftsrat und -bürgermeister zu benennen. Deswegen kann der Gemeinderat dort einen Ortsvorsteher bestimmen. Er vereint die beiden Organe in seiner Person und ist ehrenamtlich tätig. Er ist so lange im Amt wie der Gemeinderat, der ihn eingesetzt hat.