WM-Qualifikation WM-Qualifikation: Ehrgeiziger Grenzgänger mit einem Schutzpanzer aus Eis
MAINZ/MZ. - Zwei Nummern zu groß, Marke Germina, was damals so etwas wie das Adidas des Arbeiter- und Bauernstaates war. Inzwischen ist René Adler 24 und vermutlich einer der coolsten Typen, den die mühsam zusammengewachsene Republik gezüchtet hat. Der Grenzgänger, der am Samstag ab 17 Uhr für Deutschland in Russland zwischen den Pfosten steht, soll maßgeblich mithelfen, für die DFB-Auswahl das Ticket zur WM 2010 in Südafrika zu ergattern.
Als er 15 war, standen die Scouts beim Turnier der Landesauswahlmannschaften in Duisburg Schlange. Denn René Adler, das war schon damals ziemlich sicher, würde alle Voraussetzungen für eine große Karriere im Fußballtor mitbringen. Michael Reschke, der Nachwuchs-Manager von Bayer Leverkusen, setzte sich schließlich gegen die Konkurrenz durch.
Der angehende Abiturient aus behüteter Familie zieht zur Familie des ehemaligen Bayer-Keepers und Torwarttrainers Rüdiger Vollborn, geht vom Leipziger Sportgymnasium nach Burscheid ans Landrat-Lucas-Gymnasium nach Leverkusen. Der bienenfleißige Junge, dessen Bruder Gitarrist und Sänger in einer Rockband ist und dessen hübsche Mutter für Mode über 40 modelt, schafft sowohl die Reifeprüfung zwischen den Torpfosten als auch in der Schule.
René Adler hat das nie bereut. Am Samstag wird er zum siebten Mal für die A-Nationalmannschaft Bälle halten. Am 10. Oktober 2009 schließt sich dabei ein Kreis. Denn fast auf den Tag genau ein Jahr zuvor, am 11. Oktober 2008, feierte Adler ein fantastisches Debüt. Nach dem 2:1 im Hinspiel gegen Russland in Dortmund wird der Torwart mit Füllhörnern an Lob überschüttet. Es sieht so aus, als halte er die Bälle leidenschaftslos fest. Aber Adler jedenfalls sagt von sich selbst, er könne versichern, "dass ich mit sehr viel Emotion dabei bin". Wahrscheinlich ist es seine Stärke, dass man das nicht sieht, wenn man ihn mit seinen extravaganten Vorgängern Jens Lehmann und Oliver Kahn vergleicht.
Ursprünglich gilt Adler bereits nach der EM 2008 als designierter Nachfolger von Lehmann. Aber dann verletzt er sich an der Schulter. Robert Enke von Hannover 96 springt ein und hält gut. Gegen Russland spielt Adler vor einem Jahr nur, weil sich Enke am Kahnbein verletzt. Bald nach dem Russlandspiel lädiert sich Adler den Ellbogen, Enke darf wieder ran und hält sich schadlos. Es dauert nicht lange, dann muss Enke wieder passen. Diesmal wegen einer bakteriellen Magen-Darm-Erkrankung. So ist jetzt Adler wieder an der Reihe. Ein ständiges Hin und Her.
Vor seinem zweiten Einsatz gegen Russland sagt er: "Sicherlich kommt mir eine sehr wichtige Rolle zu." Er formuliert das in einer Art und Weise, die nicht annehmen lässt, dass dieser René Adler vor 83 000 Zuschauern im Luschniki-Park, zehn Kilometer südwestlich vom Kreml, deshalb auch nur ansatzweise nervös sein könnte. Aber vielleicht ist das auch nur ein Schutzpanzer aus Eis.
Denn Adler gilt als extrem ehrgeizig. Nicht nur er selbst sagt von sich, er sei sein größter Kritiker. Er gehört zu den Menschen, die sich selbst stark unter Druck setzen und sucht nun auch nach Techniken, diesen Druck erträglich zu gestalten. Auf Fragen, ob die Begegnung in Russland auch sein persönliches Qualifikationsspiel für die WM sei, weicht er aus. Er sei "weit entfernt, über Geschehnisse nachzudenken, die in einem Monat oder später sind". Das, beteuert Adler, seien "Hirngespinste, die mir nur Kraft und Energie rauben würden für Samstag". Aber natürlich weiß er sehr genau, dass eine ganze Nation auf ihn schauen wird: "Fehler", sagt er in geschliffener Rhetorik, "werden einem in diesem Elitekreis weniger verziehen."