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WM in den USA WM in den USA: «Goldköpfchen» Nia Künzer

Von Ulli Brünger und Gunnar Meinhardt 13.10.2003, 15:15
Nia Künzer hat das Golden Goal in der 98. Minute geschossen. (Foto: dpa)
Nia Künzer hat das Golden Goal in der 98. Minute geschossen. (Foto: dpa) EPA

Carson/USA/dpa. - Sie ist, wie sie ist. Natürlich sei es «wahnsinnig», sei es «gigantisch», habe sie sich vielleicht ein «kleines Denkmal gesetzt», mit ihrem Golden Goal-Kopfballtreffer in der 98. Minute, durch das die deutschen Fußball-Frauen am Sonntag im kalifornischen Carson ihren ersten Weltmeistertitel erspielt haben. «Doch was soll's», sagt Nia Künzer, ohne in Euphorie zu verfallen: «Gewonnen hat die Mannschaft, da ist es doch egal, wer das Siegtor schießt». Das Wohl des Teams zählt - das Glück des Einzelnen ist für die vor der Abwehr agierende Spielführerin vom Deutschen Meister und Pokalsieger 1. FFC Frankfurt schon immer zweitrangig gewesen.

Sich in die Gemeinschaft ein- und unterzuordnen, mit ihr Freud und Leid zu teilen, ist ihr schon in die Wiege gelegt worden, als sie vor 23 Jahren als Nia Tsholofelo in Botswana zur Welt kam. Ihre Eltern waren in Afrika seinerzeit als Entwicklungshelfer tätig. Der Vater im Verwaltungs-Management eines Krankenhauses, die Mutter als Pädagogin. Mit acht Geschwistern ist sie im Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Wetzlar aufgewachsen. Wobei nur ein Bruder ihr leiblicher war. Die drei anderen Jungs und vier Mädchen, die teilweise aus sozial geschädigten Familien stammten, hatten sich ihre Eltern angenommen.

Sie allesamt waren auch die ersten, die nach dem Erfolg ihre Glückwünsche auf der Mailbox ihres Handys hinterließen. Die Freude war auch deshalb unbeschreiblich groß, weil kaum einer damit gerechnet hatte, dass die Schwester noch einmal goldgeschmückt von einem WM-Championat heimkehren würde. Drei Kreuzbandrisse, zwei im linken, einer im rechten Knie - der erste mit 16, der zweite mit 18 Jahren, der dritte vor 15 Monaten - hatten sie mehrfach an den Rand der Verzweiflung gebracht. Nicht nur einmal glaubte sie, vor dem Karriere-Ende zu stehen. Doch so einfach aufgeben wollte sie nicht.

«Offenbar erwiesen sich meine Vornamen endlich als gutes Omen», frohlockte die kopfballstarke Offensiv-Verteidigerin, die ihr bislang einziges Auswahltor am 25. Oktober 2001 beim WM- Qualifikationsspiel gegen Portugal (9:0) erzielte hatte. Nia bedeutet nämlich auf Tswana «Glück» und Tsholofelo auf Kisuaheli «Hoffnung». Vielleicht hat aber auch Berti Vogts das glorreiche Schicksal der inzwischen 32-maligen Nationalspielerin, die als Fünfjährige zu Kicken begann, mit beeinflusst. Wie Vater Thomas Künzer zu berichten weiß, habe der Ex- Bundestrainer während des Heimfluges von Botswana nach Frankfurt/Main «einen wohlwollenden Blick auf unsere neugeborene Tochter» geworfen.

«Wer weiß, wer weiß», orakelt die Blondine in Anspielung auf die lustige Story zufrieden lächelnd und bringt dabei ihren sehnlichsten Wunsch zum Ausdruck, künftig von gesundheitlichen Problemen verschont zu bleiben. Zumindest bis zu den Olympischen Spielen in Athen. «Gold bei Olympia, das wär's, das würde den WM-Titel noch toppen», meint die angehende Diplom-Pädagogin. Sie hofft innigst, dass «unserer Sportart jetzt der Respekt entgegengebracht wird, den sie verdient».