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WM 2006 WM 2006: Vermisst, vergessen, verloren

Von Ulrike John 19.05.2006, 14:42

Stuttgart/dpa. - So findet dieWeltmeisterschaft in Deutschland ohne den Europameister Griechenlandstatt, ohne Stars wie der Italiener Christian Vieri oder Bundesliga-Torjäger Roy Makaay, ohne das amerikanische Wunderkind Freddy Adu undohne die berühmteste Glatze auf dem Rasen: Der italienische Star-Schiedsrichter Pierluigi Collina ist für die FIFA mit 46 Jahren zualt, um die Profis noch nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.

So mancher Stern, der bei der WM erst richtig aufgehen soll, istmöglicherweise bereits verglüht. Freddy Adu, geboren in Ghana, warmit 14 Profi in Washington, schloss einen Millionenvertrag mit «Nike»und bekam Schuhe mit dem Namen «Legend». Zwei Jahre später bestritter sein erstes Länderspiel. «Freddy ist ein Kind. Er ist 16», sagteUS-Nationaltrainer Bruce Arena dem «Spiegel Spezial». «Er ist nichtmal Stammspieler in seinem Club. Freddy hat noch einen weiten Weg vorsich.» Adu wurde nicht für die WM nominiert.

Ebenso wie viele jener Profis, die zwischen 2002 und 2005 im «Team2006» des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) spielten. Nur Mike Hanke,Timo Hildebrand, Arne Friedrich und Tim Borowski haben sich imSammelbecken von Talenten freigeschwommen und stehen im Kader vonBundestrainer Jürgen Klinsmann. Dass auch Marketingexperten nur ahnenkönnen, wie weit nach oben der Weg eines Talents führt, beweist dieFußball-Werbung von «Nutella»: Für den Schokoladenaufstrich warben inden letzten Monaten im Nationaltrikot Arne Friedrich, Andreas Hinkel,Benjamin Lauth und Kevin Kuranyi. Doch nur Friedrich gehört zum WM-Team.

Hoffnung auf eine Teilnahme haben sich weltweit wohl Tausende vonSpielern gemacht. Nur wenige scheiterten kurz vor dem Ziel sospektakulär wie Benjamin Huggel. Nach den wüsten Ausschreitungen imentscheidenden Qualifikationsspiel zwischen der Türkei und derSchweiz war der Profi von Eintracht Frankfurt von der FIFA im Februarfür sechs Länderspiele gesperrt worden - das WM-Aus. Auf seinerHomepage (www.benihuggel.ch) ist immer noch eine große «Beileidsecke»eingerichtet: Ein Gästebuch «für Freunde von Beni, die ihm Mut undHoffnung aussprechen wollen». Ein Fan schreibt in feinstemSchwyzerdeutsch: «Heu Huggel, mr vrmisse di megga bi dr wm!»

Italien wird beim Ball-Spektakel Stürmer-Star Vieri vermissen,Portugal seinen Abwehrchef Jorge Andrade (beide Knieverletzung),Spanien seinen Angreifer Fernando Morientes: Der 30-Jährige wurdetrotz zweier WM-Teilnahmen und drei Champions-League-Triumphen nichtnominiert. Die Niederländer lassen nicht nur Bayern-Stürmer Makaay,sondern auch Routinier Edgar Davids zu Hause.

Die Doppelspitze von Champions-League-Sieger FC Barcelona istebenfalls zu einem ausgiebigen Sommerurlaub verdammt: Ludovic Giulysteht nicht im WM-Aufgebot Frankreichs. Samuel Eto'o, mit 25 Treffernder führende Torschütze in Spanien, verpasste mit Kamerun die WM-Teilnahme. Den Triumph von Paris bezeichnete er als den schönstenMoment in meiner Karriere. «Aber es ist kein Ausgleich dafür, dassich nicht nur WM darf. Das ist das wichtigste in unserer Welt und ichbin traurig, dass Kamerun nicht mitspielen darf.» Ein ähnliches Loszogen schon andere prominente Kollegen: George Weah war zwar 1995«Weltfußballer des Jahres», spielte aber mit Liberia nie bei einerWM.

Nicht jeder, der fehlt, wird auch jemandem fehlen. Doch mit dertürkischen Nationalmannschaft, 2002 noch Überraschungsdritter, hättenin Deutschland mehr als 2 Millionen Türken gefiebert. Nichtqualifiziert hat sich auch China - mit 1,3 Milliarden Einwohner dasbevölkerungsreichste Land der Erde. Dabei prophezeite der mächtigsteSpielervermittler der Welt, Juan Figer: «Der chinesische Fußball wirdin schätzungsweise zwei Jahren explodieren.» Figer, der zahlreichebrasilianischen Stars berät, kommt übrigens aus Uruguay: Auch dererste Weltmeister (1930) der Fußball-Geschichte fehlt in Deutschland.