Virtuelle Welten Virtuelle Welten: Identitätskrise in Online-Spielen

Köln/Hamburg/dpa. - Große Online-Rollenspiele bieten vieleMöglichkeiten, sich in einer Fantasiewelt auszuleben und dort ebeneine Rolle zu spielen, die nichts mit der Realität zu tun hat.Tatsächlich sieht die Wirklichkeit in virtuellen Welten anders aus,als es die Bezeichnung «Rollenspiel» vermuten lässt. So manchemSpieler geht es vor allem darum, bei der alltäglichen Monsterjagd möglichst einzigartige Ausrüstungs-Gegenstände zu ergattern. Dasführt nicht selten dazu, dass sich die eingefleischten Rollspielermit jenen in die Haare bekommen, die das Online-Leben als reineLeistungs-Gesellschaft ansehen.
Wie weit solche Auseinandersetzungen gehen, zeigte sich voreinigen Monaten in der deutschen Version des Online-Rollenspiels «DerHerr der Ringe: Die Schatten von Angmar»: Dort gibt es - wie bei denmeisten anderen Titeln auch - herkömmliche Server, auf denen Spielernach Herzenslust ihre Freude an der Monster-Bekämpfung und der Suchenach immer besserer virtueller Ausrüstung ausleben können. Es gibtdaneben aber auch einen Server mit einer Kopie der Spielwelt, dieeigentlich den Rollenspielern vorbehalten ist. Diese können dortihren Wunsch ausleben, als ständig betrunkener Zwerg oder auch alslustiger Hobbit umherzuziehen.
Das jedenfalls ist die Grundidee für die Einrichtung eines solchenRollenspielservers. Nur hatte sich auch mancher «normale» Spieler aufden Server verirrt und ging dort der beliebten Monster-Hatz nach,ohne sich um die Wünsche der Rollenspieler zu kümmern. Die reagiertenzunächst mit Protesten im Forum des Publishers Codemasters, griffendann jedoch zu einem gänzlich ungewöhnlichen Mittel: Man verabredetesich zu einer «Menschenkette» um auf das Problem aufmerksam zumanchen. Nur fand sich diese Kette nicht in der echten Welt, vielmehrstanden Hunderte Spieler-Charaktere dicht an dicht gereiht in derStadt Bree, mitten in der Spielwelt von «Herr der Ringe».
«Die Spieler wollten mit dieser Aktion erreichen, dass sich alleBeteiligten auf dem Server an die Regeln halten», erklärt MatthiasMirlach, Sprecher des Publisher Codemasters in Hamburg. Dassdurchschnittliche Online-Spieler heute eher selten Kontakt mitsolchen echten Rollenspielern haben, muss nach Meinung mancherExperten allerdings nicht daran liegen, dass dieser Spielertyp sichzurückgezogen hat. «Vielleicht ist die Anzahl der Rollenspieler sogargleichgeblieben - es ist nur der prozentuale Anteil, der sinkt», sagtMarc Berekoven, Sprecher des Publishers Flashpoint.
«Unsere Untersuchungen bestätigen, dass es heute wirklich ganzunterschiedliche Spieler gibt», sagt Prof. Jürgen Fritz, der an derFachhochschule Köln unter anderem die «Wirkung virtueller Welten»erforscht. «Für viele ist ein Online-Rollenspiel vor allem eineMöglichkeit zu zeigen, was sie können.» Das geschieht unter anderemdadurch, dass die virtuellen Gegner möglichst effektiv mit den zurVerfügung stehenden Mitteln bekämpft werden. Andere aber wollen lautFritz eben in der Spielwelt «leben», wollen darstellen, was sie mitder Spielfigur verbinden.
Wer sich zumindest mal mit einem Charakter im Spiel mit der Rolleversuchen will, der sollte einige einfache Regeln beachten. «Zuersteinmal sollte der Name des Charakters auch zu dem Spiel passen», sagtMatthias Mirlach. Ein böser Ritter mit dem Namen Karl-Heinz wäre fehlam Platz. Marc Berekoven rät außerdem, auf andere Spieler-Charakterezuzugehen und dabei seine Rolle auszuspielen. «Viele ziehen dann mit,wenn man einmal damit anfängt - man sollte keine Angst haben, anderszu sein.»

