VfB Stuttgart VfB Stuttgart: Rätselraten im Fall Lehmann
Stuttgart/dpa. - Oliver Kahn forderte seinenlangjährigen Rivalen Lehmann am Dienstag sogar offen zum Rücktrittauf. «Vielleicht wäre es besser für ihn, wenn er jetzt aufhört. Werweiß, wozu das noch führt», sagte Kahn der Münchner «Abendzeitung».
Dass der ehrgeizige und selbstbewusste Lehmann sich in seinemletzten Profi-Jahr zurückzieht, glaubt in Stuttgart jedoch niemand.Zunächst hat Lehmann aber Zeit zum Nachdenken. Wegen einer beim 1:1gegen Mainz erlittenen Knieverletzung muss er zehn Tage pausieren.Und wegen der Tätlichkeit, mit der er sich beim provozierendenMainzer Aristide Bancé revanchiert und damit seinem Team den spätenAusgleich per Elfmeter eingebrockt hatte, droht eine längere Sperre.Doch danach rechnet der neue VfB-Trainer Christian Gross fest mitLehmann: «Ich bin überzeugt, dass Jens Lehmann hochmotiviert in dieRückrunde geht, um einen tollen Abschluss seiner Karriere zu haben.»
Nur das Veto des Schweizers soll den 40-Jährigen laut StuttgarterMedien nach dessen Platzverweis in Mainz und dem bizarr anmutendenAbgang inklusive einer Handgreiflichkeit gegen einen Fan undanschließender Flucht im Taxi auch vor der Suspendierung bewahrthaben. Doch spätestens Kahns Rücktritts-Forderung wirft auch dieFrage auf: Ist ein Weitermachen für Lehmann der beste Weg oderriskiert der Ex-Nationaltorwart damit, seinen an sportlichen Erfolgengemessen zweifellos guten Ruf zu ruinieren?
Denn auch wenn der Routinier seit vielen Jahren wegen Eskapadenwie seiner Halbzeit-Flucht mit der S-Bahn nach einer Auswechslung beiSchalke 04 1993 oder seiner Roten Karte im Champions-League-Finale2006 mit dem FC Arsenal als unberechenbarer Hitzkopf gilt, sorgte erzuletzt in immer kürzeren Abständen für Wirbel. In seinem ersten Jahrin Stuttgart riss er seinem Mitspieler Khalid Boulahrouz wütend dasStirnband vom Kopf, warf den Schuh des Hoffenheimers Sejad Salihovicauf sein Tor und bekam vom VfB nach Kritik am Trainerteam eineGeldstrafe aufgebrummt. Bei der Mitgliederversammlung im Sommerbrüskierte der streitbare Querdenker den VfB-Vorstand per Video mitder Forderung nach Neuzugängen.
Vergangene Woche sorgte Lehmann fast täglich für Schlagzeilen. Vordem Champions-League-Spiel gegen Urziceni warf er der VfB-Spitze vor,sich bei der Trennung von Coach Markus Babbel dem Druck «pubertärerJugendlicher» gebeugt zu haben. Im Spiel urinierte er allem Anscheinnach hinter eine Bande. Nach der Partie erklärte er, sich für denAbstiegskampf nicht motivieren zu können. Für seine Vorstandskritikwurde Lehmann abgemahnt und mit 40 000 Euro Geldbuße belegt, gegenderen Zahlung er sich mit anwaltlicher Hilfe wehren will.
Für den Aussetzer in Mainz hat Lehmann sich bei der Mannschaftentschuldigt, öffentlich hat er sich zu seinen jüngsten Verfehlungennoch nicht geäußert. Der Verein will die Dinge «intern» klären. NachAnsicht seines langjährigen Weggefährten Kahn werden sich beideSeiten Gedanken machen. «Das hat doch keinen Nutzen mehr. DieStuttgarter Führung wird jetzt abwägen: Nutzt oder schadet Lehmannder Mannschaft mehr?», meinte Kahn, der auch nicht ausschloss, dassLehmann seinen Rauswurf womöglich provozieren will.