«Ursprung einer Designkultur» - HiFi-Anlagen von Braun
Kronberg/dpa. - Die Unterschiede hätten kaum größer ausfallen können: auf der einen Seite die klobigen Radiogeräte aus Nussbaum mit Messingleisten und den mit Goldfäden bespannten Lautsprechern.
Auf der anderen Seite eine kleine, eckige Anlage im silbergrauen Metallgehäuse, die im Baukastensystem aus drei Teilen zusammengesetzt wurde: Plattenspieler, Radioempfänger und Endverstärker. Die Besucher der Funkausstellung 1959 in Frankfurt wunderten sich vor allem über den Verstärker: Er hatte keine Regler, keine Knöpfe, keine Anzeigen. «Braun schockiert mit Schuhkartons», lautete das erste Presseecho. Die Kronberger Firma präsentierte damals ihre erste HiFi-Anlage mit Namen «studio 2».
«Das Design polarisierte, es gab Skepsis aber auch Wohlwollen», sagt der heutige Braun Design-Leiter Peter Schneider. Die Hersteller-Konkurrenz glaubte nicht an einen Erfolg der Brüder Artur und Erwin Braun mit dieser Kollektion. Max Grundig warnte die Söhne des 1951 verstorbenen Firmengründers Max, sie würden das Erbe ihres Vaters verspielen. Doch schon wenige Jahre später orientierte sich die Branche am Aufbau und Design der neuen Braun-Anlagen. Die Sonderausstellung «Braun HiFi: Ursprung einer Designkultur» in Kronberg im Taunus zeigt mit mehr als 100 Exponaten die Geschichte der High Fidelity-Geräte von 1959 bis 1989.
Bereits 1954 gaben die Braun-Brüder eine Marktanalyse in Auftrag, die zeigte, dass sich fast 40 Prozent der Bevölkerung Rundfunkgeräte wünschte, die dem modernen Wohnstil entsprachen. Die ersten Veränderungen waren noch Chefsache, 1956 nahm dann eine Abteilung für Formgestaltung die Arbeit auf. Schneider bringt ihre Vorstellung vom richtigen Design auf diese Formel: «Einfachheit, Klarheit, Ästhetik - das passte auch zum damaligen Trend zu skandinavischen Möbeln». Für kommodenartige Musiktruhen war in den Wohnzimmern kein Platz mehr.
Mit der Einführung der Stereo-Langspielplatte am Ende der 50er Jahre begann der Siegeszug der HiFi-Anlagen, die Musik besonders naturgetreu wiedergeben konnten. Grundlegend für den besseren Klang war die Trennung von Steuergerät und Lautsprecher. «Das war ein neues Lebensgefühl, als wenn man selber Musik machen würde», sagt Schneider. Doch das neue Lebensgefühl hatte seinen Preis. «Als ich bei Braun angefangen habe, konnte ich mir so ein Gerät nicht leisten», erinnert sich Dietrich Lubs, der 1962 eingestellt wurde. Erst Ende der 60er Jahre habe sich der spätere stellvertretende Designchef ältere Modelle der eigenen Produktion leisten können.
Das Design spielte für Braun eine größere Rolle als für andere Hersteller. «Braun war Avantgarde, absolut», sagt Lubs. Die Designer unter der Leitung von Dieter Rams verfolgten dabei ein Ziel: Die Bedienung sollte erleichtert werden. So verzichtete die Firma als erster Radiohersteller der Übersicht wegen auf die Namen der Sender und führte die bis heute erhaltene Skala mit Frequenzen auf den Geräten ein.
Nur im Ausnahmefällen wurde das Design geändert. «Marketingleuten würden heute bei so einer Idee die Haare zu Berge stehen», sagt Lubs. Kleine Veränderungen gab es aber doch: Die scharfen Kanten der ersten HiFi-Anlage «studio 2» wurden später abgerundet, neben Aluminium wurde auch Stahlblech eingesetzt. Mitte der 1960er wurde die silbergraue Farbe mit schwarz kombiniert. «Dadurch erscheinen Ungenauigkeiten an der Oberfläche nicht so deutlich», erklärt Lubs. Für wichtige Knöpfe wurde immer öfter farbiger Kunststoff eingesetzt.
Ein Meilenstein der Braun HiFi-Produktion war das «studio 1000», das 1965 auf den Markt kam. Mit 15 000 Mark kostete die Anlage damals so viel wie ein Oberklassewagen. Mitte der 60er Jahre veranstaltete Braun wöchentlich Schallplattenkonzerte mit diesem Gerät am Frankfurter Opernplatz vor Hunderten von Zuhörern. Als «Studio Braun» wurden diese Vorführungen deutschlandweit bekannt.
1980 ging mit dem «atelier 1» die letzte HiFi-Anlagenserie in Produktion. «Das Geschäft wurde kurzlebiger», sagt Lubs. Die japanische Konkurrenz brachte immer schneller neue Geräte auf den Markt. «Braun-Produkte waren jedoch auf Langlebigkeit ausgelegt.» Die Fertigung geringer Stückzahlen im hohen Preissegment rechnete sich nicht mehr. 1991 stellte Braun die Produktion von HiFi-Geräten ein, doch seine «Designkultur» lebt weiter: Die Ähnlichkeit des Taschenradios T3 von 1958 mit dem modernen «iPod» ist verblüffend.
Informationen: BraunSammlung der Braun GmbH, Westerbachstraße 23c, 61476 Kronberg; Öffnungszeiten dienstags bis freitags 11.00 bis 17.00 Uhr, samstags und sonntags 11.00 bis 18.00 Uhr, Eintritt bis 6 Jahre frei, 7 bis 17 Jahre: 1,50 Euro, Erwachsene: 3 Euro
Infos zur Ausstellung: www.braunsammlung.info