Triathlon Triathlon: Von der Drogenhölle in den Sporthimmel
Frankfurt/Main/dpa. - Bis ins Ziel hat ein Ironman einen weitenWeg - 225,995 Kilometer. Auch Andreas Niedrig nimmt diese Tortur imWasser, auf dem Rad und zu Fuß auf sich. Doch für den 39-Jährigen ausOer-Erkenschwick ist dies nur ein Katzensprung gemessen an dem, waser in seinem Leben bereits hinter sich gebracht hat. Niedrig ist keinnormaler Triathlet. Wenn er am Sonntag in Roth auf der Strecke ist,werden ihm die Zuschauer nicht nur wegen seiner sportlichenDarbietung zujubeln. Sie wollen auch seine Lebensleistung honorieren.
Es ist eine Geschichte wie im Film, weshalb das Leben desRuhrpottlers Anfang 2008 auch tatsächlich in die Kinos kommt. Mitprominenter Besetzung wie Uwe Ochsenknecht oder Max Riemelt, der inNiedrigs Rolle schlüpft. «Vom Junkie zum Ironman» heißt der Streifen,wie das gleichnamige Buch. Darin beschreibt Niedrig seinen Weg ausder Gosse auf die Podestplätze. Ein Leben voller Höhen und Tiefen,Rückschlägen und Hoffnungen.
Niedrigs Weg führte ganz nach unten. Anfang der 90er Jahre war eram Tiefpunkt und konnte froh sein, überhaupt noch zu leben. Mit zwölfrauchte er den ersten Joint. Es folgten zahlreiche weitere Drogen bishin zum Heroin. Mit 22 war er süchtig. Diebstähle, um an Geld für dennächsten Kick zu kommen, Selbstmordversuch, Drohungen von derDrogenmafia. Es schien keinen Ausweg mehr zu geben. Selbst seinekleine Tochter schob er im Kinderwagen durchs Milieu. «Wenn ich heutean diese Bilder denke, wird mir schlecht.» Als ihn seine Frau Sabinevor die Wahl stellte, Therapie oder alleine Leben, schien seinSchicksal besiegelt.
Erst als er am Boden war, entwickelte Niedrig Kampfgeist. «Ich lagin der Gosse und hatte nichts mehr», sagt er. Dank einer Langzeit-Therapie gewann er Halt. Der Wille, für seine Familie da zu sein warstärker als die Versuchung zum Rückfall. «Dass ich heute ein normalesLeben führe, verdanke ich allein meiner Frau. Sie vollbrachte diewahre Lebensleistung.» An Sport dachte er damals gar nicht. «Ichhatte schließlich alles verloren.» Doch durch Zufall fand Niedrig denWeg zum Triathlon. Sein Vater überredete ihn zu einem Waldlauf.«Dieser Lauf war die Wende in meinem Leben», meint der heutezweifache Familienvater.
Über den Marathon kam Niedrig zum Triathlon. Gleich beim erstenStart in Roth wurde er 1997 in der besten Zeit, die je einNeueinsteiger erreicht hat, Fünfter. Es folgten 2. und 3. Plätze beimTraditionsrennen. 1998 wurde er beim Klassiker auf Hawaii Siebter.Der kometenhafte Aufstieg des Ex-Junkies erregte das öffentlicheInteresse an seinem Lebenslauf, den er 2000 erstmals veröffentlichte.
Drei Jahre später erfuhr er erneut die Schattenseiten des Lebens.Eine eigentlich harmlose Schleimbeutelentzündung an der Achillessehneverschlimmerte sich so sehr, dass er sogar befürchten musste, seinrechtes Bein zu verlieren. Doch nach zahlreichen Operationen kämpfteer sich erneut zurück, wollte noch einmal in Roth an den Start gehen.«So konnte ich mich nicht vom Triathlon verabschieden.»
Nach Jahren voller Qualen, Selbstzweifeln und Ängsten vor einemRückfall startete Niedrig 2006 noch mal bei seinem Lieblingsrennen.Zwar hatte er nicht mehr das Niveau der Top-Athleten, doch feiertenihn die Zuschauer an der Strecke. «Die letzten fünf Kilometer habeich nur noch geheult», erinnert sich Niedrig, der seine Profikarrieredanach beendete und sich auf sein neues Berufsleben konzentrierte. InSchulen hält er Vorträge zur Suchtprävention, leitet zudem Manager-Seminare zum Thema «Karriereziele und Lebenschancen».
In Roth geht er am Sonntag nur als Hobbysportler an den Start. «Imletzten Jahr bin ich hinter der Siegerin ins Ziel gekommen. Aufkeinen Fall will ich wieder nur zweitbeste Frau werden.»