Triathlon Triathlon: «Eiserner Mann» durchlebt ein Wechselbad der Gefühle
MESCHEIDE/MZ. - Der 38-Jährige krempelte nach geknackter Vier-Stunden-Marke (das große Ziel vieler Hobbyläufer) sein Leben komplett um, versuchte Familie, Beruf und Sport unter einen Hut zu bekommen, durchlebte Tiefpunkte, setzte gnadenlos Prioritäten. Nach sieben Monaten persönlich auferlegter Leidenszeit startete der aus dem Schwarzwald stammende Dozent seinen großen Triumphzug, der die Eckdaten 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren plus 42,195 Kilometer Laufen besaß. Das Ziel seiner Reise, das er zusammen mit Frau Britt und Töchterchen Lisanne Anfang August ansteuerte, hieß Glücksburg. Genauer gesagt, der Ostseeman 2009.
Rückblickend gibt der in Mescheide (Ortsteil von Gräfenhainichen) wohnende Extremsportler zu, dass er trotz intensiver und akribischer Vorbereitung großes Lampenfieber vor seinem ersten "Ironman" besaß. Zusammen mit etwa 750 Aktiven stürzte er sich am Wettkampftag gegen 7 Uhr in die Fluten der 16,5 Grad kalten Ostsee und versuchte trotz des Menschengewirrs um sich herum, jedes Signal, dass sein Körper sendete, bewusst aufzunehmen. Einfache Pi-mal-Daumen-Regel: Bleibe unter zwei Stunden, sonst werden die Füße eiskalt. Seitz benötigte für die Distanz 1:28, der erste Krampf kündigte sich kurz vor dem Verlassen der Ostsee an. "Neoprenanzüge sind eben unten offen. Irgendwann zieht die Kälte nach oben. Egal, wie dick die Füße einbalsamiert sind."
Umwege führen zum Ziel
Angetrieben von den vielen Zuschauern, aber stets mit den mahnenden Worten seiner Frau im Ohr, sich nicht zu übernehmen, radelte der in Leipzig arbeitende Seitz über den sechsfach zu durchfahrenden Rundkurs von je 30 Kilometern. Beim Abspulen der Distanz nahm sich der 38-Jährige Zeit, in Erinnerungen zu kramen. Denn das Aufbau-Training zu diesem Wettkampf besaß einen entscheidenden Vorteil. Der seit 2004 in Mescheide lebende "Schwarzwälder" lernte Land und Leute kennen, denn die Strecke vom Arbeits- zum Heimatort reichte irgendwann nicht mehr aus, dem Körper einen neuen Kick zu verpassen. "Von Leipzig aus ging es ständig über verschiedene Umwege nach Hause."
Fünf schwere Laufrunden
Nach 5:29 Stunden im Sattel war Herausforderung Nummer zwei gemeistert, Seitz rollte durch die Wechselzone. Nach dem Anziehen der Laufschuhe betrat der Dozent einer großen deutschen Krankenkasse sprichwörtlich Neuland. "In der Vorbereitung bin ich auf Mallorca mal 180 Kilometer am Stück geradelt. Ich konnte mir nicht vorstellen, danach noch einen Marathon zu absolvieren." Die fünf Runden zu je 8,44 Kilometer boten alles, was Triathleten zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr mögen: knackige Anstiege, viele Höhenmeter.
Schwierige Nahrungsaufnahme
Aus Sicht von Stefan Seitz fing der Wettkampf in der zweiten Hälfte dieser Disziplin erst richtig an. Die Nahrungsaufnahme, im Schnitt verbrauchen Triathleten beim "Ironman" etwa 10 000 Kalorien, funktionierte nicht mehr ganz reibungslos, Elektrolytgetränke mussten den Körper in Schwung halten. "Ich wollte kein Risiko eingehen und habe mich selbst verpflegt. Auf dem Rad mit Nutella-Schnitten, Trockenobst, Gel und Riegeln. Doch irgendwann wollte der Magen diese Mischung nicht mehr." Nach exakt vier Stunden war auch diese Tortur überstanden. Zusammen mit Frau und Tochter überquerte Seitz die Ziellinie und war überrascht, dass er mit 11:06 die Zwölf-Stunden-Marke so locker unterbot. "Meine Frau hatte etwas Angst, dass ich im Ziel einen Kollaps bekomme. Doch am Abend sind wir sogar noch zusammen Essen gegangen."
Dank an Familie
Trotz aller gemeisterter Strapazen weiß der 38-Jährige, dass hinter jedem Erfolg eines Hobbysportlers ein gut funktionierendes Familien-Management steht. Seine Frau habe ihm in den letzten Monaten den Rücken freigehalten, damit der Traum "Ironman" nicht wie eine Seifenblase zerplatzt. "Gemeinsame Fernsehabende bildeten die absolute Ausnahme. Meine Frau ist mit unserer Tochter sogar allein in den Urlaub gefahren, damit ich mich voll aufs Training konzentrieren kann." Aufgrund dieser Tatsache kündigte Seitz an, "erst einmal" kürzer treten zu wollen. Ein kompletter Rückzug ist damit aber nicht verbunden. Der nächste "Irontown" in Ferropolis (Gräfenhainichen) schwirrt bereits durch seine Gedankenwelt und irgendwann muss noch die Elf-Stunden-Marke fallen. Dieses Ziel liegt derzeit genau sechs Minuten entfernt.