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Tigers Tübingen Tigers Tübingen: Mysteriöse Flucht eines Basketball-Profis

Von Matthias A. Schmid 19.09.2011, 14:48

Tübingen/dapd. - Es gehe Kenny Williams gut. Er sei in Miami.Viel mehr hat Robert Wintermantel nach Tagen des Bangens und Hoffensnicht in Erfahrung bringen können. Die Aussage eines Verwandten istdas einzige Lebenszeichen, das der Manager desBasketball-Bundesligisten Walter Tigers Tübingen von seinemehemaligen Spieler nach fünf Tagen voller Verwirrung erhalten hat.«Ich würde gerne die Hintergründe für seine Flucht in die Heimaterfahren», sagt Wintermantel im Gespräch mit der Nachrichtenagenturdapd.

Der Manager wirkt noch immer geschockt. «Ich bin menschlich sehrenttäuscht und habe überhaupt keine Erklärung für das Geschehene.»

Williams löscht seine Seite auf «Facebook»

Am Mittwochvormittag vergangener Woche war der 26 Jahre alteBasketballprofi plötzlich nicht mehr auffindbar. Zum vereinbartenWurftraining war er nicht erschienen. Wintermantel, Trainer IgorPerovic, Pressesprecher Tobias Fischer und auch die Mitspielerversuchten anschließend, Kenny Williams zu erreichen. Doch er gingweder an sein Handy noch an das Festnetz seiner Wohnung. Auchbeantwortete er keine E-Mails. Selbst seine «Facebook»-Seite imInternet war gelöscht.

Erst nachdem die Tübinger Verantwortlichen in die Wohnung vonWilliams gegangen waren, fanden sie einige Indizien, die auf einenendgültigen Abschied hinwiesen. Es herrschte Chaos, überall lagenalte Schuhe und Trainingsklamotten herum. Doch alle persönlichenGegenstände waren verschwunden.

Es dürfte dennoch keine Kurzschlussreaktion gewesen sein. Der2,03 Meter große Williams muss seine schnelle Abreise doch irgendwiegeplant haben. Darauf deutet zumindest die Rekonstruktion derEreignisse der letzten Tage hin. Nach einer Mannschaftssitzung amMontag, in der der schwache Auftritt des Teams beimVorbereitungsturnier in Ulm aufgearbeitet wurde und auch Williamskonstruktive Vorschläge einbrachte, tauchte er am nächsten Tag inder Geschäftsstelle auf. Er bat um einen finanziellen Vorschuss.

Dass er sein Gehalt teilweise früher benötigte, war nichtsBesonderes. Williams ist bereits Vater eines unehelichen Kindes,seine Frau erwartet das erste gemeinsame Baby. Der US-Amerikaner,der vor drei Jahren nach Tübingen kam, hatte schon häufiger um Geldgefragt. Auch als er eine neue Sporttasche wollte, wunderte sichniemand. Williams gilt als Chaot, der gerne mal etwa verlegt. Erstspäter erfuhren Wintermantel und die übrigen Verantwortlichen, dassWilliams am Dienstag auch seinen Fernseher verkaufte, den er sicherst kürzlich zulegt hatte, und auch noch diverse Proteinshakesverscherbelte.

Williams litt an einer Lungenembolie

Dass er drei Wochen vor dem Saisonstart die Flucht ergriff, ohnezuvor mit jemanden gesprochen zu haben, kann sich niemand erklären.«Wir sind immer für Kenny da gewesen und haben auch in schwierigenZeiten zu ihm gehalten und ihn unterstützt», sagt Wintermantel.

Williams erlitt im Januar dieses Jahres eine Lungenembolie undverbrachte seine gesamte Leidenszeit in Deutschland. Erst MitteAugust durfte er wieder Basketball spielen. «Kenny war auf einemguten Weg und sollte sogar zweiter Kapitän werden», sagtWintermantel.

Drei Jahre lebte der 26 Jahre alte US-Amerikaner schon inTübingen, er hatte viele Freunde in der Mannschaft und war im Teamund bei den Zuschauern, die den Chaoten mit dem Bart schnell in ihrHerz schlossen, gleichermaßen beliebt. Was ihn letztlich aus derUniversitätsstadt trieb, weiß niemand. Robert Wintermantel ist nichtder einzige, der sich um ihn Sorgen macht.

Mit einer Rückkehr rechnet niemand mehr. Für Williams wäre auchkein Platz mehr. Tübingen verpflichtete bereits einen Nachfolger:den Kanadier Velimir Radinovic vom Absteiger Mitteldeutscher BC. «Das Leben», sagt Wintermantel,«muss ja weiter gehen.»