Thüringen Thüringen: Im Dunkeln fremde Städte entdecken
Eisenach/dpa. - Die Führungen in Kostümen und bei Fackelschein erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, ergabeine dpa-Umfrage. Die Angebote reichen von regelmäßigen wöchentlichenTreffen in Erfurt, Bad Langensalza, Saalfeld oder Mühlhausen bis zueinmaligen Angeboten in Gotha.
Zwei Mal im Monat zeigt ein Hornsignal in Heiligenstadt an:Nachtwächterin Heidelinde Liepe dreht wieder ihre Runde. Am Rathausstartet die Hauswirtschafterin mit ihren Gästen ihre Tour durchmittelalterliche Winkel und Gassen. Vorbei am Geburtshaus desHolzschnitzers Tilman Riemenschneider (1460-1531) und Wirkungsstättendes Dichters Theodor Storm, der 1856 bis 1864 in der Eichsfeldstadtlebte. Seit sechs Jahren ist Liepe im historischen Mantel, mitHellebarde, Lanze und Laterne unterwegs. Nach mehr als 100 JahrenPause hat die Kurstadt wieder einen Nachtwächter.
Im ostthüringischen Saalfeld wird ebenfalls alle zwei Wochensamstags zum nächtlichen Rundgang gebeten. Die Nachfrage nach dieser«anderen Art der Stadtführung» ist riesig, sagte Jaqueline Schödelvon der Tourist-Information. Marktweiber und Stadtgardisten lockenpro Tour bis zu 70 Urlauber und Einheimische in die Dunkelheit. Auchin Bad Langensalza startet der Tross erst bei Nacht. «Man siehtabends mehr und es ist ruhiger», beschrieb Führerin Mary Stübe dieromatische Atmosphäre. Mit Fackeln in den Händen werden die bis zu 70Teilnehmer bei «traurigen, frechen und frivolen Texten» durch dunkleGassen geführt.
In der Landeshauptstadt Erfurt kann der Gast zwischen einemromatischen Abendspaziergang durch die Altstadt oder einerFackelführung durch die Minengänge der Feste Petersberg wählen: Dauer120 Minuten. Voranmeldung ist notwendig, um bei großem Interesse dieGruppen zu teilen. In Erfurt weichen die Inhalte von Stadtführungenbei Tageslicht nicht von denen zu abendlicher Stunde ab.
In Altenburg dagegen wird nachts «nicht vor die Kirche, sondernhinter die Kirche» gelaufen, definierte Sybille Pilz von derAltenburger Tourismus-Agentur den feinen Unterschied zu Führungen beiTageslicht. Zu «Sagenhaftes um Mitternacht» passten eben die Nonnen-und Mönchskostüme der Stadtführer, deren Geschichten und Anekdoten.Inzwischen buchen die Bewohner der über 1000-jährigenResidenzstadt Fackel-Touren als Attraktion für Familienfeiern.
In Weimar trägt entweder Schillers Diener oder ein Nachtwächterdie Laterne. Es gibt zur Begrüßung, zwischendurch und am Schluss einGetränk. Aus Sicherheitsgründen wird in der Klassikerstadt auf einenächtliche Runde durch den Park an der Ilm verzichtet. In Eisenachteilen die Gästeführer Kerzen aus. In der Wartburgstadt nehmen vorallem Tagungsbesucher gern den späten Stadtbummel an.
In Mühlhausen, wo es jeden Freitag heißt «Stadtführung imFackelschein», wird den nächtlichen Spaziergängern die Einkehr ineines der Lokale in der Altstadt angeboten. Die einstigeResidenzstadt Gotha bietet mit der Kulturnacht bisher nur einmal proJahr eine «Fackelführung». 120 Neugierige seien in der «Museumsnacht»unterwegs, sagte Christine Schädel von der Gotha-Information.
In Arnstadt, Thüringens ältester Stadt, endet die seit vier Jahrenangebotene romantische Tour an der «Marlitt-Villa» mit einem tollenBlick. «Die Gebäude sehen von dort ganz anders aus», schwärmt UlrikeBalzer-Gramann, Leiterin der Tourist-Information. Sie kann sehr gutverstehen, dass sich ein junges Pärchen kürzlich eine sehrpersönliche Führung zu dritt und im Laternenschein gönnte.