Tennis Tennis: Zehn Jahre nach dem Anschlag - Attentat lässt Seles nicht ruhen

Hamburg/dpa. - Tennis hat ihr alles gegeben - und so viel genommen. Monica Seles war eine reiche, erfolgreiche und glückliche junge Frau, als ihr unbeschwertes Leben plötzlich zu Ende war. Am 30. April 1993 stach ein fanatischer Steffi-Graf-Fan beim Turnier am Hamburger Rothenbaum die 19-Jährige bei einem Seitenwechsel mit einem Tranchiermesser nieder. Zehn Jahre nach der Tat mag die frühere Weltranglistenerste nicht einmal registriert haben, dass es das Damenturnier in Hamburg nicht mehr gibt. Sie hat sich geschworen, nie wieder in Deutschland zu spielen.
Monica Seles ist reicher als vor zehn Jahren. Sie hat knapp 15 Millionen Dollar Preisgeld verdient. Aber ob sie wieder glücklich ist? Sie wirkt verletzt, verschlossen, immer noch sehr misstrauisch und trägt einen unaussprechlichen Zorn mit sich herum. «Ich wünschte, ich wäre damals nicht niedergestochen worden und hätte diese Jahre auf höchstem Niveau spielen können», sagte die Nummer 12 der Weltrangliste im März in Miami. «Aber ich liebe es noch immer, Tennis zu spielen. Und so lange das so ist, mache ich weiter.»
Monica Seles hatte Steffi Graf seit 19 Monaten als Nummer eins in der Welt abgelöst, als der arbeitslose Günther Parche aus Thüringen den Entschluss fasste, der von ihm abgöttisch verehrten Tennis-Heldin zu helfen. «Ich hatte mich endgültig entschlossen, Monica Seles so zu verletzen, dass sie nicht mehr würde Tennis spielen können, zumindest eine Zeit lang», sagte der damals 38-Jährige vor Gericht aus.
Von den 6000 Zuschauern auf dem Center Court hat an jenem frühen Freitagabend kaum einer den genauen Tathergang beobachten können. «Erst nach ihrem durchdringenden Schrei blickten alle zu Monica Seles, aber da war der Attentäter schon von mehreren Männern überwältigt worden», erinnert sich der damalige Pressesprecher des Deutschen Tennis Bundes (DTB), Jens-Peter Hecht. «Parche hatte eine Eintrittskarte für Rom in der Tasche. Er hätte es dort sicher noch einmal versucht.» Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigte dem besessenen Graf-Verehrer hochgradige Verwirrtheit. «Wenn sie verlor, geriet er Tage lang in schwere Depressionen und dachte gelegentlich bei größeren Turnieren sogar an Selbstmord», hieß es. Parche bekam zwei Jahre auf Bewährung. Seles legte Berufung ein, verklagte den DTB auf 24,4 Millionen Mark Schadenersatz. Ohne Erfolg.
Mit Erfolg kehrte Monica Seles nach knapp 28 Monaten Pause auf die Tour zurück, gewann 1996 in Australien ihren neunten Grand-Slam-Titel und 21 weitere ihrer bis heute 53 Turniere. Fünf Jahre nach dem Attentat brachte sie der Krebstod ihres Vaters Karolj im Mai 1998 erneut aus dem Gleichgewicht. Er bedeutete ihr alles. Im serbischen Novi Sad hatte der Cartoon-Zeichner seiner vierjährigen Tochter das Tennis-Abc beigebracht. Als Trainer-Guru Nick Bollettieri Monica 1985 bei der WM der Zwölfjährigen in Miami siegen sah, bot er ihr eine Ausbildung in seiner Akademie an. «Ich sah den kleinen Sumpffrosch, kaum größer als ein Racket. Und die prügelte den Konkurrentinnen die Seele aus dem Leib», erinnert sich Bollettieri.
1986 siedelte die Familie nach Florida über. 1994, ein Jahr nach dem Attentat, wurde Monica Seles US-Bürgerin. Die 1,3 Zentimeter tiefe Wunde unterhalb des linken Schulterblattes war schnell verheilt. Der Schock, den sie damals erlitt, sitzt noch immer tief. Als ihr beim Hopman-Cup vor zwei Jahren in Perth auf dem Platz jemand von hinten auf die Schulter tippte, erstarrte Monica Seles - aber es war nur ein Fan, der ein Autogramm wollte. Sicher fühlt sie sich auf dem Tennisplatz nach wie vor nicht. «Die Sicherheitsvorkehrungen sind ungenügend. Es ist so leicht an uns heranzukommen, während und nach einem Match», sagte Monica Seles vor einem Monat. «Und dabei geht es mir nicht nur um mich, sondern um alle Spitzensportler.»