Tatort: A gmahde Wiesn
München/dpa. - Auf dem Münchner Oktoberfest lässt sich sehr viel Geld verdienen - knapp 450 Millionen Euro werden jedes Jahr dort umgesetzt. Und so ist es kein Wunder, dass ein Festzelt, ein Stand oder ein Fahrgeschäft auf dem wohl größten Volksfest der Welt heiß begehrt sind.
Die Macht der Entscheidung liegt beim Wirtschaftsausschuss des Stadtrates, der jedes Jahr aus rund 1500 Bewerbungen 700 Glückliche auswählt. Ein wunderbarer Nährboden für Neid, Korruption und Rache - so sieht es zumindest der Tatort «A gmahde Wiesn» (Eine gemähte Wiese) des Bayerischen Rundfunks (BR), den die ARD am ersten Wiesn-Sonntag (23. September/20.15 Uhr) ausstrahlt. Wer nicht gerade im Bierzelt feiert, kann sich auf einen unterhaltsamen Krimi freuen, der weniger auf Spannung setzt, sondern vielmehr auf eine vielschichtige Handlung mit tiefen Einblicken in die Abgründe der menschlichen Seele.
Der einflussreiche Stadtrat Hubert Serner liegt vier Wochen vor dem Wiesn-Anstich tot in seinem Gartenteich. Bei ihren Ermittlungen bringen die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec), Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Carlo Menzinger (Michael Fitz) einen Sumpf aus Mauscheleien, Intrigen und handfesten Wirtschaftsinteressen ans Tageslicht, in dem Serner gewaltig mitgemischt hat. Hinzu kommt, dass «der schmusige Hubsi» eine ansehnliche Anzahl von Geliebten hatte. Verdächtige gibt es viele: Die resolute Wirtin Johanna Buck (Monika Baumgartner) will an ihr Wiesn-Zelt unbedingt einen Biergarten anbauen. Der Wirt Xaver Neureuther (Fred Stillkrauth) will schon seit neun Jahren auf die Theresienwiese. Und die Schausteller-Geschwister Zoll (Bettina Redlich und Michael Tregor) kämpfen verzweifelt um einen Platz für ihr historisches Karussell, weil sie sonst finanziell am Ende sind.
Von Mafia-ähnlichen Strukturen ist die Rede, von Missgunst und von Schmiergeld, das den Stadtrat gewogen machen soll. «Das ist einer der realistischsten Tatorte überhaupt», glaubt Drehbuchautor Friedrich Ani. «Es fließt ein kalter Strom durch diese Geschichte, der Geldstrom.» Die Festleiterin und Münchner Tourismusdirektorin Gabriele Weishäupl dagegen schwächt stark ab: «Es ist im wirklichen Leben nicht so dramatisch», meint sie. «Wenn der Tatort das so dramatisch zeichnet, ist das sicherlich künstlerische Freiheit.»
Von den Grundlagen ist der Film jedoch gut recherchiert: Wer die rund sechs Millionen Wiesn-Besucher aus aller Welt als Wirt, Kaufmann oder Schausteller versorgen will, muss sich jedes Jahr neu bewerben. Bier dürfen nur die Münchner Brauereien ausschenken. Ebenso wie die Schützengesellschaften schlagen sie die Wirte vor, die ihre Zelte betreiben sollen. Daneben gibt es noch Privatzelte wie Hippodrom, Schottenhamel oder die Fischer Vroni. Viele haben eine lange Wiesn- Tradition nach dem Grundsatz «bekannt und bewährt». Neue Bewerber können darauf hoffen, dass ein Wirt pensioniert wird oder sich etwas zuschulden kommen lässt und rausfliegt. Man brauche viel Geduld, sagt Weishäupl. «Man muss abwarten, ob ein Zelt frei wird, muss Beziehungen zur Brauerei pflegen und ein guter Wirt sein!»
Wer es geschafft hat, kann sich über satte Umsätze freuen. Doch der Profit ist nicht alles - auch nicht im «Tatort». «Es geht schon die ganze Zeit um Geld, aber letztendlich geht es um Schicksale und darum, was das Ringen um Geld anrichten kann», sagt Ani. Schicksal wollte wohl auch Stadtrat Serner spielen, zumindest aus Sicht von Neureuther, der es einfach nicht auf die Wiesn schafft. «Der Serner hat auch gedacht, er wär so was wie ein Herrgott», sagt er im Film. «Dabei war er bloß ein blöder Stecher.»