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Streit um Straßenausbau-Beitragssatzung Streit um Straßenausbau-Beitragssatzung: Gorenzener Rat droht mit seinem Rücktritt

Von Roman Haeusgen 18.07.2001, 16:42

Gorenzen/MZ. - Ärger um das liebe Geld. Gemeinden liegen mit der Kommunalaufsicht über Kreuz, weil sie ihren Bürgern möglichst nur wenig abnehmen wollen, wenn es um neue Straßen geht. Sie sind nicht bereit, Anweisungen zu akzeptieren, die dazu aus Eisleben kommen. Der Zankapfel erwächst vor allem dort, wo in den Straßenausbau-Beitragssatzungen fest zu schreiben ist, wie viel die Bürger für die Baumaßnahmen bei zu steuern haben. "Wir haben als Gemeinde genug Geld und wollen deshalb die Anwohner so gering wie möglich belasten", erklärte Gerhard Neander, Mitglied des Gorenzener Gemeinderates, gegenüber der MZ. So ist in die Gorenzener Ausbausatzung ein Eigenanteil von 20 Prozent geschrieben worden.

"Wir können uns das leisten, die Gemeinde verfügt über eine Rücklage von rund 450 000 Mark", bekräftigte Neander, der sich - ebenso wie seine fünf anderen Ratskollegen - nun gewaltig ärgere. Denn die Kommunalaufsicht, die ein solche Satzung abzusegnen hat, negierte nicht nur jene 20-Prozent-Beteiligung, sie fasste obendrein gleich eine neue Satzung ab und erklärte sie im Namen der Gemeinde als rechtsverbindlich. Ersatzvornahme heißt dieses amtliche Handeln, das die Gorenzener Räte nicht akzeptieren wollen, wie sie in einem Brief an den Landrat deutlich machten. "Wir fühlen uns in der Bevormundung durch die Kreisverwaltung in unseren demokratischen Rechten eingeschränkt", heißt es in dem der MZ vorliegenden Schreiben. Die Unterzeichner erwarten, "dass die Straßenausbaubeitragssatzung entsprechend unseren Wünschen gestaltet wird".

Und: Im anderen Falle sei mit einem Rücktritt der gesamten Gemeindevertretung zu rechnen. Bürgermeister Wolfgang Eimler bestätigte: "Das Schreiben ist unterwegs." Was in Gorenzen recht ist, ist in Großörner billig. Auch dort war eine relativ geringe Bürgerbeteiligung in die Satzung geschrieben worden. Auch hier reagierte die Kommunalaufsicht ablehnend. "Wir beschweren uns beim Regierungspräsidium in Halle", erklärte Bürgermeister Bernd Hojenski. "Es geht um eine vorteilsgerechte Beitragsbemessung - gerecht bezogen auf die Allgemeinheit", unterstrich der Leitende Kreisverwaltungsdirektor Wolfgang Haase und machte so die Einwände deutlich, die sein Amt zu den Ersatzvornahmen für Gorenzen und Großörner bewogen hatten. So sei eben eine Beteiligung der Anwohner bei der Errichtung von Anliegerstraßen von mindestens der Hälfte der Kosten vorgeschrieben. Dies ist übrigens nur auf die Fahrbahn selbst bezogen, für Parkstreifen und Gehweg sollen die Gorenzener sogar mit sechs Zehnteln der Kosten zur Kasse gebeten werden, wie ihnen die neue Satzung zeigt.

Für Großörner meinte dazu Hojenski: "So etwas geht vielleicht in einer Stadt, aber nicht in einem Dorf mit wenigen Anliegern. Bei solch hohen Kosten, die auf den Einzelnen zukommen, geht sogar dem Reichsten die Luft aus." Haase verwies auf geltendes Recht. "Es gibt inzwischen eine Rechtssprechung zum kommunalen Abgabengesetz, dabei wurden Vorteilssätze so heraus gearbeitet." Wie Haase weiter meinte, "tendiert dazu der Ermessensspielraum des Gemeinderates gegen Null". Er unterbreitete den Vorschlag: "Wenn eine Gemeinde auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation ihren Bürgern etwas Gutes tun will, kann sie ja zum Beispiel die Grundsteuern senken." Die meisten Gemeinden beziehen sich - wie die MZ in Erfahrung brachte - mit ihren Straßenausbau-Beitragssatzungen auf einen Mustertext des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt.

Wie der stellvertretende Geschäftsführer des Bundes, Jürgen Leindecker, gegenüber der MZ erklärte, stamme diese Mustersatzung aus dem Jahre 1996. "Eine neuere Mustersatzung haben wir nicht. Es hat aber inzwischen eine Reihe von Änderungen des Kommunal-Abgabengesetzes gegeben", so Leindecker weiter. Auch er verwies auf Gerichtsentscheidungen, mit denen "die zu niedrigen Sätze moniert wurden". Wie Leindecker außerdem informierte, sehe bereits die alte Mustersatzung für Anliegerstraßen (Fahrbahn) eine Bürgerbeteiligung zwischen 60 und 70 Prozent vor.