Steuerverschwendung: Lange Liste überteuerter Projekte

Wiesbaden - Der sorglose und verschwenderische Umgang mit öffentlichen Geldern kostet die hessischen Steuerzahler nach Einschätzung von Experten jährlich Millionensummen. Ob die Verschwendung zugenommen habe, könne er konkret nicht sagen, erklärte der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler, Joachim Papendick, bei der Präsentation des Schwarzbuchs 2019/20 am Dienstag in Wiesbaden. „Aber es gibt immer noch zu viele Fälle.” Bundesweit gehe er bei der staatlichen Geldverschwendung von einer Milliardensumme aus.
Die Steuerexperten bekämen nahezu jeden Tag Zuschriften mit Hinweisen etwa von Bürgern oder Kommunalpolitikern, sagte Papendick. In allen Fällen werde immer die andere Seite um eine Erklärung der Kostenentwicklung angefragt, bevor es eine Aufnahme in das Schwarzbuch gibt. Bundesweit werden rund 100 Fälle von staatlicher Geldverschwendung in dem Buch aufgeführt. Hessen sei mit zehn Beispielen in der aktuellen Printausgabe vertreten:
- Kostspieliger Stadionausbau
Das Stadion von Fußball-Zweitligist SV Wehen Wiesbaden wird derzeit von rund 12 500 auf 15 000 Plätze aufgestockt. Vorschriften der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur Mindestzuschauerkapazität sind der Grund. Dafür gibt es nach Ansicht der Steuerexperten aber keinen Bedarf. Vor dem Aufstieg des Vereins seien in der 3. Liga im Schnitt nur etwas mehr als 3000 Zuschauer ins Stadion gekommen. Selbst in der vergangenen Zweitligasaison vor zehn Jahren seien es lediglich knapp 8000 Besucher gewesen. Trotzdem beteilige sich das Land Hessen mit 3,5 Millionen Euro an dem Umbau. Aus Sicht der Experten sollte sich die öffentliche Hand aus der Finanzierung des Profisports heraushalten und die DFL ihre strengen Statuten überarbeiten.
- Teure Demokratie
Im Landkreis Marburg-Biedenkopf wurde entschieden, die Landratswahl nicht mit der Europawahl Ende Mai vergangenen Jahres zusammenzulegen, sondern einen eigenständigen Termin Anfang September zu wählen. Ein gemeinsamer Wahltag sei wohl aus wahltaktischen Gründen verworfen worden, erklärte Papendick. In der Folge sei die Wahlbeteiligung deutlich niedriger ausgefallen als in der Vergangenheit und es seien vermeidbare Kosten entstanden. Allein in der Stadt Marburg lägen die Kosten bei einer Landratswahl bei 74 500 Euro. „Natürlich darf Demokratie Geld kosten”, betonte der Vorsitzende. In diesem Fall seien aber unnötig Mehrkosten entstanden. „Inwieweit durch eine Zusammenlegung von Wahlterminen eine signifikante Kostenersparnis hätte erzielt werden können, lässt sich nicht seriös abschätzen”, sagte ein Kreissprecher. Kosten etwa für Druck und Versand der Wahlunterlagen wären bei einem gemeinsamen Termin ebenso angefallen.
- Entwicklung von E-Highway in der Förder-Sackgasse?
Für die Forschung und Entwicklung von Lastwagen mit einer Oberleitung gibt es eine Teststrecke in Hessen auf der Autobahn 5. Bundesweit wird das Elektro-Highway-Projekt von der Bundesregierung mit rund 107 Millionen Euro gefördert, nach Hessen fließen den Angaben zufolge 14,6 Millionen Euro. Es sei aber zu befürchten, dass dieses Modell niemals flächendeckend genutzt werde, weil die Technologie sehr teuer sei und noch mit anderen Techniken konkurriere, mahnten die Steuerexperten. Lkw aus dem Ausland verfügten zudem möglicherweise über keine Oberleitungstechnik. Das Steuergeld für das Vorhaben wäre dann in eine Sackgasse investiert worden.
- Backhaus ohne Ofen
Als weiteren Fall nannte Papendick die Sanierung des historischen Backhauses im Bad Hersfelder Stadtteil Asbach mit Kosten in Höhe 78 000 Euro. Während der Arbeiten habe sich herausgestellt, dass die Bausubstanz viel mehr Mängel aufwies als gedacht, so dass sich die Kosten verdoppelten. Der kaum genutzte Ofen sei nicht mehr brauchbar gewesen, so dass das Backhaus nun als Abstellkammer genutzt werde. Ein Stadtsprecher sagte dazu: Die Kritik sei berechtigt. Im Bemühen, das Projekt umzusetzen, habe man zu lange daran festgehalten und hätte schneller die Reißleine ziehen müssen.
- Kostenexplosion bei Schloss-Sanierung
Die Sanierung des Königsflügels im Bad Homburger Schloss sei auch nach über acht Jahren noch nicht abgeschlossen und die Baukosten hätten sich verfünffacht, kritisierte der Steuerexperte. Zunächst sei das zuständige Wissenschaftsministerium von zwei Jahren Bauzeit und bis zu zwei Millionen Euro Kosten ausgegangen. Nachdem sich im Laufe der Arbeiten zahlreiche weitere Schäden am Gebäude zeigten, sei die Sanierung immer umfangreicher geworden und die Kosten auf rund zehn Millionen Euro gestiegen. „Im Zuge der fortschreitenden Arbeiten musste der Zustand des Gebäudes auf Basis neu gewonnener Erkenntnisse bewertet werden”, erklärte das Wissenschaftsministerium zu der Kritik. „Das komplette Ausmaß der Schäden wurde erst im Fortgang der Arbeiten sichtbar.”
- Aussichtsturm ohne Zukunft
Weniger als drei Jahre nach der Eröffnung des Kellerwaldturms im Schwalm-Eder-Kreis hätten sich an dem auf Kosten des Landes auf dem Berg Wüstegarten errichtete Aussichtsturm bereits deutliche Schäden gezeigt, erklärte Papendick. Nach einem jahrelangen ergebnislosen Rechtsstreit mit einer Baufirma über die Gewährleistung wolle nun der Deutsche Wetterdienst mit einem Wetterradarturm auf den Berg umziehen und diesen mit einer Aussichtsplattform ausstatten. Dafür soll der Kellerwaldturm abgerissen werden. Allein für Bau und Abriss des alten Turms sowie den Rechtsstreit fielen rund 400 000 Euro Kosten an. Der Naturpark Kellerwald-Edersee erklärte, man habe erfolgreich Schadensersatzansprüche gegenüber dem Architekten geltend gemacht, aufgrund einer Insolvenz sei jedoch nur ein Teilbetrag erstattet worden. Der Kellerwaldturm werde frühestens 2024 abgebaut - nach über 20 Jahren und nur wenige Jahre vor Ende der ursprünglich geplanten Nutzungsdauer.
- Verzicht auf teure Verkehrsberuhigung
Die Stadt Hanau habe derweil auf Kritik des Steuerzahlerbundes reagiert und verzichte auf ein teures technisches System zur Geschwindigkeitskontrolle, teilten die Steuerexperten mit. Die Stadt wollte in einer Tempo-20-Zone mit einer elektrisch absenkbaren Stahlplatte zu langsamerem Fahren animieren. Die Kosten für ein solches System hätten bei 47 000 Euro gelegen und damit deutlich über dem Preis von 7000 Euro für klassische Bodenschwellen. Nun soll ein Abschnitt der Straße zur Fußgängerzone umgewidmet werden. (dpa/lhe)