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Skispringen Skispringen: Gold gewonnen, Nerven gelassen

19.02.2002, 10:34

Salt Lake City/dpa. - Die mit0,1 Punkten Vorsprung knappste Mannschafts-Entscheidung der Olympia-Historie hatte noch Stunden später ihre Spuren im Nervenkostüm desschon bei den Weltmeisterschaften 1999 und 2001 mit Gold gekröntenTeams hinterlassen. «Alle Titel hatten ihre eigene Dramatik, aber ameindruckvollsten ist dieser», resümierte Martin Schmitt.

Tiefe Genugtuung empfand Bundestrainer Reinhard Heß, der vonseinen Gefühlen übermannt erst nach einiger Zeit die passenden Wortefand. «Es ist hier so viel schief gelaufen: Der Sturz von Sven, dasKnie von Martin. Ich wollte diese Goldmedaille. Das war das I-Tüpfelchen, das uns nach den Leistungen der vergangenen Jahrezusteht.»

Trotz andauernder Kniebeschwerden war Martin Schmitt der Garantfür Olympia-Gold. Mit neuem Ski und alter Leistungsstärke war der 24-Jährige vom SC Furtwangen gerade rechtzeitig wieder in Top-Form. «Wirhaben erkannt, es lag beim Martin doch am Material. Leider zu spät,da bekenne ich mich schuldig», sagte Heß. «Ich habe rechtzeitig denTiger rausgelassen», lachte Schmitt in Anspielung auf das neue Designseiner Ski. Ernster wurde seine Miene, als er auf seine chronischentzündete Patella-Sehne angesprochen wurde: «Es wird von Sprung zuSprung schlimmer. Nach der Saison müssen wir schauen, was wir machenkönnen», sagte Schmitt, schloss aber eine Operation erst einmal aus.

Zunächst wollte Schmitt «die größte Party, die Salt Lake City jegesehen hat», gemeinsam mit seinen Team-Kollegen Sven Hannawald(Hinterzarten), Stephan Hocke (Oberhof) und Michael Uhrmann(Rastbüchl) feiern. Doch zuvor mussten bei unzähligen Interviews dieFragen nach dem Wie und dem Warum beantwortet werden. Die erstenAugenblicke der Ruhe hatte das Quartett erst am Abend auf der «MedalsPlaza» während der Siegerehrung. Vor allem der 18-jährige YoungsterHocke schaute ungläubig auf seine Medaille. «Nervös war icheigentlich nicht», erklärte der Gymnasiast.

Dabei hatte die knappe Entscheidung vor Finnen und Sloweneneigentlich genug Grund zur Aufregung geboten, doch mehrDiskussionsstoff hätte wohl eine knappe Niederlage der Deutschengebracht. Der Finne Matti Hautamäki war vor der Sturzlinie zu Fallgekommen, die fünf Punktrichter hatten dies jedoch nicht mit denvorgeschriebenen Punktabzügen geahndet. «Den Sturz haben sie nichtgesehen, die Finnen zu hoch bewertet. Von daher sind wir verdientOlympiasieger geworden», stellte Co-Trainer Wolfgang Steiert klar.

Ein Protest wäre ohnehin nicht möglich gewesen. Im Skispringen istein Videobeweis nicht vorgesehen, es gilt die Tatsachen-Entscheidung.Trotzdem stießen Heß einige Entscheidungen der jeweils fünfPunktrichter bitter auf. «Ich weiß nicht, warum wir so schlechtbenotet werden, ich habe dafür keine Erklärung. Teilweise empfindeich das schon fast als Beleidigung», sagte der 56-Jährige Thüringer.

Heß gab seinem Team erst einmal frei. «Die nächsten drei Tagekönnen sie machen, was sie wollen». Das Gold-Quartett zog am Dienstagvom angemieteten Haus in Park City in das Olympische Dorf. Von dortaus wollen die Springer die alpinen Ski-Reviere in Utah erkunden.