Second Life Second Life: Firmen aus Sachsen-Anhalt entdecken Simulation
Halle/MZ. - Was mit Web-Shops und Bestell-Plattformen nicht klappte, soll jetzt die künstliche Computer-Welt Second Life möglich machen. Unternehmen wie Mercedes-Benz, Toyota, Adidas und Dell sind schon dabei, und auch eine kleine Firma aus Sangerhausen mischt kräftig mit.
"Unsere Firma ist wahrscheinlich die erste aus Sachsen-Anhalt, die in Second Life präsent ist", sagt Henrik Bosse, Chef der Firma "holzhaus.de" in Sangerhausen. Bosse, der mit Blockhütten, Carports und Saunen handelt, hatte die Chancen erkannt, als die Agentur WDPX aus Wernigerode mit dem Angebot kam, einen Teil ihres Vertriebs in die Internet-Welt Second Life zu verlegen. "Ich habe lange nachgedacht, was vier Millionen Nutzer auf dieser Plattform machen. Und warum die dort echtes Geld ausgeben", erzählt WDPX-Chef Frank Wollweber. "Seit vier Jahren gibt es Second Life. Man lädt sich eine Software herunter und meldet sich an. Dann klickt man aus einem Baukasten seinen Avatar, also das virtuelle Ich, zusammen und stürzt sich ins Getümmel wie im echten Leben."
Wollweber schwangt noch immer zwischen Begeisterung und Fassungslosigkeit. Begeistert ist der 37-Jährige, weil er Internet-Fan ist. Und fassungslos, weil er kaum glauben kann, dass für virtuelle Dinge echtes Geld ausgegeben wird. In Second Life, dem zweiten Leben, erfindet sich die reale Welt im Internet neu. Sie wird von Kunstwesen, den Avataren, beherrscht. Die können kommunizieren, laufen, fliegen und sich teleportieren. Mit diesen Avataren kann jeder Nutzer im Web fast alles tun, was er auch im realen Leben kann: Häuser bauen, Grundstücke erwerben, Wohnungen einrichten, Einkaufszentren besuchen, Jobben und in Diskos abhängen. Selbst virtueller Sex ist käuflich.
Der Zutritt zu Second Life ist kostenlos. Wer seinen Avatar mit Top-Frisuren und Markenklamotten aufpeppen will, muss zahlen - mit so genannten Linden-Dollars, die real per Kreditkarte gekauft oder im Spiel erarbeitet werden. Derzeit bekommt man für einen echten Dollar 270 Linden-Dollars. Wer den vollen Funktionsumfang der Simulation will, braucht den Premium-Zugang für rund zehn Dollar im Monat. "Damit startet das Geldverdienen", erzählt Wollweber und erklärt die Marketingstrategie.
Jeder, der in Second Life bauen will, braucht Land. Diese Landmasse, Inseln genannt, kann man kaufen. Wer Land besitzt, kann es bebauen oder andere bauen lassen. Man verkauft gegen Linden-Dollars Nutzungsrechte oder nimmt Mieten ein. Die Geschäftsideen sind vielfältig: Autohändler unterhalten Autohäuser, in denen man 3D-Automodelle erkunden und real bestellen kann. Andere konstruieren Wolkenkratzer, richten Designerwohnungen ein oder jobben als Disko-Eintänzer.
"Es gibt einen Kerl, der programmiert Marken-Turnschuhe. Die werden von anderen gekauft, um deren Avatare exklusiver unterscheidbar zu machen." Hier sah Wollweber auch eine Chance für seinen Kunden, den Holzhaus-Händler. Er wollte die Häuser nicht nur als Modelle im Web zur Verfügung stellen, damit sie real in Sangerhausen gekauft werden, sondern dachte weiter.
Er holt Luft, "wir programmieren virtuelle Holzhaus-Kopien, die wir an Avatare gegen 500 Linden-Dollar verkaufen." Wollweber und Bosse haben extra Land gekauft, um ihre Häuser ausstellen zu können. "19 200 Linden-Dollar waren fällig", lacht Wollweber. Jetzt sucht er Online-Spieler, die als Holzhaus-Kopie-Vertriebler arbeiten wollen. Diese Jobs sollen über ein so genanntes Arbeitsamt, das in das Spiel integriert ist, angeboten werden. "Zehn Prozent Provision sind drin", so Wollweber. Dass Bosse und Wollweber ebenfalls Echt-Dollar-Millionäre wie die Deutsch-Chinesin Ailin Gräf werden, die mit programmierten Grundstücken in Second Life handelt, ist eher unwahrscheinlich. Eines ist Wollweber aber klar: "Es sind soviel Begeisterte wie Irre unterwegs, dass immer etwas gekauft wird." Wer eine Sangerhäuser Datsche in Second Life aufstellt, muss sie für Linden-Dollars gekauft haben. "Und die können umgetauscht werden - in harte US-Dollars für fast nichts."