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SC Magdeburg SC Magdeburg: Abpfiff für das Popidol

Von Lars Geipel 13.07.2007, 19:54

Magdeburg/MZ. - Das offizielle Ende verläuft am Sonnabend, dem 2. Juni 2007, völlig unspektakulär. Punkt 16.34 Uhr ertönt in der Rittal-Arena in Wetzlar der Schlusspfiff in der Bundesligapartie gegen den SC Magdeburg. Der SCM hat 29:30 verloren. Stefan Kretzschmar winkt noch einmal den Fans zu, gibt Autogramme und schleicht dann mit gesenktem Kopf in die Kabine. Null Tore und ein Blumenstrauß sind die bescheidene Bilanz im letzten Pflichtspiel der einzigartigen Karriere eines Sportlers, der weit über die Handball-Szene hinaus Kult-Status hat.

Stempel aufgedrückt

Heute wird Kretzschmar noch einmal im Mittelpunkt stehen. Ab 15 Uhr steigt in der Magdeburger Bördelandhalle das Abschiedsspiel für den extrovertierten Superstar, der wie kein anderer vor ihm dem deutschen Handball den Stempel aufdrückte. Beim Showdown des 218-maligen Nationalspielers soll noch einmal großer Handball zelebriert werden.

Als er mit sechs Jahren zum ersten Mal auf dem Spielfeld stand, war Handball eher ein Freizeitbeschäftigung für Hartgesottene. Die Sporthallen waren klein, eng und muffig. Nach und nach wird der Handball aber immer mehr zum Ereignis. Nicht zuletzt dank Stefan Kretzschmar. Die Fans lieben ihn. Er sieht aus wie ein Popstar und hat mindestens 17 Tätowierungen und sechs Piercings. Er spricht wie ein Popstar und sagt, was er denkt. Er spielt wie ein Popstar und dreht die Bälle spektakulär um die Torhüter. Mädchen kreischen, wenn sie ihn sehen. Nach Spielen muss er sich den Weg in die Kabine mit Autogrammen frei schreiben. Kein Trikot wird so oft verkauft, wie das mit der Nummer 73 seines SCM - der Club, dem er trotz zahlloser lukrativer Angebote über zehn Jahre treu bleibt.

Er gewinnt auf Vereinsebene alles, was man als Handballer gewinnen kann: die Champions League, die Deutsche Meisterschaft, den Pokal. Doch einen Wunsch kann sich selbst "Kretzsche" nie erfüllen: Er holt nie einen großen Titel mit der Nationalmannschaft. Das sind die tragischen Momente im Sportlerleben des Stefan Kretzschmar. Diese verdammte letzte Minute im Viertelfinale der Olympischen Spiele von Sydney 2000. Es steht 26:26, der Linksaußen läuft auf das Tor zu - Aufsetzer, aber kein Tor. Im Gegenzug erzielen die Iberer sechs Sekunden vor Schluss den Siegtreffer. Kretzschmars größter Traum - eine Goldmedaille - ist geplatzt.

Der Augenblick verändert sein Leben. Da ist die Liebe zu seiner kubanischen Frau Maria de los Angeles Mayea Linares, die er 1998 heiratet und mit der er eine Tochter hat, schon zerbrochen. Er trifft im Olympischen Dorf Schwimmerin Franziska van Almsick, die damals als "Franzi van Speck" verspottet wird. Zwei erfolgreiche Sportler ganz unten. Sie verlieben sich, raufen sich zusammen - und werden zum Traumpaar des deutschen Sports. Sie erfüllen viele Erwartungen, posieren vor den Kameras. Vier Jahre lang geht das gut, dann ist diese Glamour-Liebe am Ende.

Überhaupt ist 2004 nicht Kretzschmars Jahr. Nach dem Schlussstrich unter die Beziehung zu van Almsick scheitert der zweite Anlauf zum OIympiasieg. Danach fehlt es ihm an Motivation. Er zieht sich aus der Nationalmannschaft zurück. Der Handballer ist auf der Zielgeraden seiner Karriere.

Neuer Sportdirektor

Vermutlich haben auch die Querelen beim SC Magdeburg Kretzschmars Abschied vom Leistungssport beeinflusst. Die Vereinsführung setzte vor wenigen Monaten Manager Bernd-Uwe Hildebrandt den Stuhl vor die Tür. Zeitweise schien die Lizenz in Gefahr, die Mannschaft steht vor einem Neuaufbau. Da erklärt der 34-Jährige seinen Rücktritt. "Ich fühle mich müde und habe den Antrieb nicht mehr. Ich bin ausgebrannt." Doch so ganz lassen kann er von seiner großen Liebe Handball nicht. Auch in Wetzlar wird er in der kommenden Saison wieder in der Halle sein: als Sportdirektor beim Auswärtsspiel des SC Magdeburg.