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«Rose bonbon» «Rose bonbon»: Frankreichs hat ein neues Skandalbuch

Von Sabine Glaubitz 09.09.2002, 19:56

Paris/dpa. - Ficken. Ficken»,schreibt Nicolas Jones-Gorlin auf den ersten Seiten seines im VerlagGallimard erschienenen Romans «Rose bonbon», der in Frankreich einenSkandal auslöste.

Auf 170 Seiten behandelt der Autor die pädophilen Tendenzen seinesRomanhelden und Mörders Simon. Wegen «Verherrlichung von Pädophilieund Verbreitung pornografischer Szenen, die gegen die Menschenwürdeverstoßen» wollen jetzt mehrere Vereinigungen zum Schutz von Kinderngegen das renommierte Verlagshaus und dessen 30-jährigen Autorvorgehen. Die Vereinigung Enfant bleu will wegen «Verbreitung undDarstellung eines Minderjährigen in einer pornografischen Situation»gerichtliche Schritte einleiten.

Die Fondation pour l'enfance sieht in dem Roman, dessen Romanhelddie kleine Dorothée in die Toilette eines Cafés führt und sich an ihrvergehen will, Anstiftung zur Pädophilie. Die Präsidentin derStiftung, Anne-Aymone Giscard d'Estaing, die Frau des ehemaligenStaatspräsidenten, ist bis zum französischen Innenministervorgedrungen. Sie will ein Verkaufsverbot des Buches an Minderjährigeerwirken.

Die Liga für Menschenrechte hingegen verurteilt die heftigenReaktionen gegen das Buch und spricht von einem Angriff auf dieMeinungsfreiheit. Eine Position, die auch Michel Braudeau, Autor undMitglied des Lektürekomitees von Gallimard, vertritt: «EinSchriftsteller ist vor allem ein freier Mensch, der Fiktionenerfinden darf. Eine seiner wichtigsten Rollen ist es, die Problemeseiner Zeit zu behandeln und wenn nötig den Finger in die Wunden zulegen.»

Der junge Autor selbst behauptet, er habe keinen Skandal gewollt.«Man beschuldigt mich, mit viel Lust und Freude die pädophilen Szenengeschrieben zu haben», ließ er sich vernehmen, «ich wollte einemoderne Fabel, eine Gesellschaftskritik schreiben. Ich verherrlichenicht den Teufel, ich beleuchte die dunkle Seite unsererGesellschaft. Die Pädophilie ist schockierend. Ich verstehe nicht,warum man mir also vorwirft, schockierende Szenen geschrieben zuhaben.»

Das Buch ist das zweite Werk des Autors und in der Ich-Formverfasst. Der Romanheld Simon beschreibt unter anderem, wie er einenzehnjährigen Jungen für seinen Freund Raymond kidnappt. Über dieentsprechenden Szenen ist der Familienminister Christian Jacob sehrschockiert. «Das Buch verteidigt die Pädophilie. Kein Verbrechen istabscheulicher. Ich habe nicht die Macht, dieses Buch zu verbieten,aber ich wäre sehr glücklich, wenn es aus den Regalen verschwindenwürde», meinte er.

Das Pariser Verlagshaus hat derweil den Verkauf des Bucheseingestellt. Von den 4000 ausgelieferten Exemplaren wurden 2000verkauft. «Wir haben den Vertrieb des Buches vorläufig eingestellt,um die Situation etwas zu beruhigen. Wir warten erstmal ab», erklärtedie juristische Abteilung von Gallimard.

Letztes Jahr sorgte Michel Houellebecqs Buch «Plattform» inFrankreich für Aufsehen und ließ die Kassen klingeln. Doch machte derSkandal um abfällige Bemerkungen des Autors über den Islam und seineBegeisterung über den Sextourismus die Aussichten auf den begehrtenLiteraturpreis Goncourt zunichte. Das dürfte bei dem neuenSkandalbuch wohl nicht der Fall sein, denn Kritiker haben darinbisher keine preiswürdigen Qualitäten entdecken können.