Ribéry-Verletzung besiegelt EM-Aus für Frankreich
Zürich/dpa. - Das Publikum spendete aufmunternden Applaus, Thierry Henry strich ihm mitfühlend über die Wange, und der erschrockene Raymond Domenech verharrte nahezu regungslos nahe der Seitenlinie. Für Franck Ribéry endete der Traum von einer erfolgreichen EM auf einer Trage.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht verließ der Regisseur der französischen Nationalmannschaft nach nur zehn Minuten des Fußball-Gipfels gegen Italien (0:2) den Platz und fällt nun mindestens sieben Wochen aus. Die Verletzung des Stars besiegelte das vorzeitige EM-Aus der Franzosen - und sorgte auch im Mannschaftshotel der deutschen Elf im fernen Ascona für betretene Gesichter: «Ich war geschockt, wie auch die anderen Spieler, die das gesehen haben», kommentierte Bastian Schweinsteiger das Missgeschick seines Vereinskollegen.
Erst am Tag nach «dem immensen Scheitern« (L'Équipe) legte sich die Aufregung um den Ausnahmekönner des FC Bayern München. Ribéry hat sich in seinem ungestümen Zweikampf mit Gianluca Zambrotta nicht den zunächst befürchteten Fußbruch, sondern einen Riss am Syndesmoseband oberhalb des linkes Sprunggelenks zugezogen. Dies ergab die Untersuchung von Bayern-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in Basel. Ribéry muss operiert werden.
Für Gesprächsstoff bei den Franzosen sorgte auch Trainer Domenech, der trotz der großen Enttäuschung unmittelbar nach Spielende seiner Lebensgefährtin via TV indirekt einen Heiratsantrag machte - was er am Tag danach bereute. «Ich habe einen Hauch Menschlichkeit gezeigt in einem Moment, in dem ich professionell hätte bleiben müssen», sagte Domenech.
Nur wenige Minuten nach der Pleite hatte er tags zuvor auf die Frage nach seiner Zukunft geantwortet: «Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Jetzt ist es erst einmal Zeit zu heiraten.» Wie seine Lebensgefährtin Estelle Denis, mit der Domenech zwei Kinder hat, auf den indirekten Antrag via TV reagierte, ist nicht bekannt. «Ich habe nicht darüber nachgedacht, das war eine spontane Äußerung», sagte Domenech. «Ich hatte Lust, den Leuten, die ich liebe, zu sagen, dass ich sie liebe.»
Das abrupte Turnier-Aus von Spielmacher Ribéry passte ins Bild von einer vollends missratenen EM. Noch während sich die konsternierte «Equipe tricolore» beim 0:2 gegen Italien vergeblich um den Einzug in das EM-Viertelfinale bemühte, war Ribéry auf dem Weg ins Krankenhaus. Sein Wunsch, die märchenhafte Bundesliga-Saison mit einer erfolgreichen EM zu veredeln, erfüllte sich nicht. Schon in den Duellen mit Rumänien (0:0) und den Niederlanden (1:4) war nicht nur das französische Team, sondern auch der als Zidane-Nachfolger auserkorene Ribéry unter seinen Möglichkeiten geblieben. Die Schlappe gegen den Weltmeister im letzten Gruppenspiel raubte ihm alle Illusionen - und besiegelte das Ende einer großen, aber überalterten Mannschaft.
«Das war nicht unser Abend. Von Anfang an lief alles schief», klagte Angreifer Henry angesichts der frühen Ribéry-Auswechslung und der Roten Karte für Eric Abidal nur 14 Minuten später. Noch am Abend erklärten verdiente Profis wie Claude Makelele (35) und Lilian Thuram (36) ihren Abschied. Weitere in die Jahre gekommene Mitstreiter werden in den nächsten Tagen folgen. Patrick Vieira und Henry hatten bereits vor dem Turnier laut über einen Rückzug nachgedacht. Willy Sagnol verweigerte eine klare Aussage, dürfte aber auch schon bald zum Kreis der Ehemaligen gehören: «Es ist nicht wichtig, wie es mit Sagnol, Makelele und Thuram, sondern mit der Équipe de France weitergeht», sagte der Abwehrspieler des FC Bayern.
Die drei dürftigen EM-Auftritte der «Bleus» veranschaulichten der «Grande Nation» auf schmerzliche Weise, dass es ein Fehler war, noch einmal auf die Routiniers zu setzen. Trotz des nun anstehenden umfassenden Liftings glaubt Domenech an eine rasche Genesung des Patienten: «Dieses Team mit seinen vielen jungen talentierten Spielern hat eine Zukunft.»
Ob der umstrittene Coach derjenige sein wird, der dem Fußball- Giganten bis zur Fußball-WM 2010 in Südafrika zu alter Stärke verhilft, gilt jedoch als unwahrscheinlich. «Mein Schicksal ist nicht von Interesse», antwortete er am Tag der EM-Abreise auf die vielen Fragen nach seiner Zukunft. Dennoch gilt die Trennung von Domenech als ausgemachte Sache. Die Erklärung des Verbandspräsidenten Jean- Pierre Escalette unmittelbar nach Schlusspfiff klang jedenfalls nicht wie ein Treueschwur: «Ich bin niemand, der einen Vertrag in einem emotionalen Zustand auflöst.» Erst am 3. Juli will der Verband über Domenechs Zukunft entscheiden.