Regionale Küche Regionale Küche: Von Kohl, Krabben und süßen Kartoffeln
Kiel/Friedrichstadt/gms. - Lammtage an der nordfriesischen Küste, Matjeswochen in Glückstadt,Büsumer Fisch- und Krabbentage, Kohltage in Dithmarschen, KielerSprotten und Wildbretsaison im Sachsenwald - mittlerweile vermarktetjede Region Schleswig-Holsteins werbewirksam ihre Spezialitäten. Unddie Qualität dessen, was Meer, Seen und Land bieten, überzeugt nachwie vor die Köche. «Seit einigen Jahren ist in der Gastronomie dieTendenz zu erkennen, auf regionale Produkte zurückzugreifen», sagtStefan Scholties, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandesin Kiel. Auch die Sterneköche, die hier während des jährlichenGourmetfestivals vor Ort kochen, «legen Wert darauf, regionaleProdukte zu verarbeiten», sagt Organisator Klaus-Peter Willhöft vomHotel-Restaurant «Holländische Stuben» in Friedrichstadt.
Auf dem Land wurde früher bäuerlich-deftig gegessen: Brei, Grütze,Mehlbeutel, Schweinebacke, Geräuchertes und Gepökeltes. Kaltes Wetterund anstrengende Arbeit forderten eine fettreiche Kost. Gemüse wurdegestovt, also mit Milch sämig zubereitet. Ähnlich wie das Land istauch die Küche zwischen den Meeren voller Gegensätze: Sirup undSpeckfett, süß und salzig, säuerlich, rauchig-würzig und manchmalsahnig mild - alle Geschmacksrichtungen vereinigen sich.
So befriedigen noch immer Birnen, Bohnen und Speck, auch «GrotenHeini» genannt, die Vorliebe der Nordlichter für «broken söt»,gebrochene Süße. Zum winterlichen Grünkohl mit Schweinebacke,Kochwurst und Speck werden in Zucker karamellisierte «sööteKantüffeln», süße Kartoffeln, gegessen. Auf dem Land galt früher einüppiger Speckpfannkuchen mit Rübensirup als Sonntagsspeise. AuchMehlspeisen gab es im Norden in vielen Versionen: Klöße und Klüten,Mehlbeutel, den «Großen Hans» aus altbackenen Brötchen, Rosinen undNüssen oder den «Abenkater», den Ofenkater, mit Birnen und Speck.
In seinem Landgasthof «Zur Linde» in Schierensee an der Ostseeserviert Küchenmeister Joachim Stendtner bodenständige Gerichte. Sogenanntes Arme-Leute-Essen aus früheren Zeiten wie Fliederbeer- oderButtermilchsuppe, Kohlpudding, Steckrübenmus mit Speckstippe, Hering,Sauerkrautrouladen aus Bauchspeck oder Schwarzbrot-Pudding sind heutedie Eckpfeiler seiner Küche. Der rührige Meister kocht streng nachJahreszeit: «Schaut man auf den Kalender, was Himmel, Bäume, Bodenund Meer hergeben, ist man immer richtig ernährt», sagt Stendtner. Sogibt es im April Heringe, das frühere Alltagsgericht, oder Lammkeule.
Neben geräuchertem Aal, Krabben und Katenschinken ist wohl «rodeGrütt» - rote Grütze - die populärste Speise der Nordlichter. Sie hatjedoch keine Ähnlichkeit mehr mit der früheren Grütze, der täglichenHauptnahrung der armen Bevölkerung. Je nach Jahreszeit und Regionwird die Süßspeise mit den jeweils reifen Gartenfrüchten zubereitetund schmeckt mit Buttermilch, flüssiger Sahne oder Vanillesoße.
Herrschaftliche Speisen fanden sich nur in Herrenhäusern, aufGutshöfen und in der reichen Hansestadt Lübeck. Dort war das Essenüppig und durch fremde Einflüsse auch raffinierter. Bereits im 13.Jahrhundert ließen Lübecker Handelsherren den in Frankreicheingekauften Rotwein in ihren Kellern und Speichern zu dem späterweltberühmten «Rotspon» reifen. Der Tropfen begleitet bisweilen dieLübecker Krebssuppe. Der Verkauf des heute noch begehrten LübeckerMarzipans ist erstmals in Zunftrollen von 1530 belegt.
Literatur:
Norbert von Frankenstein: Schleswig-Holstein.Kulinarische Streifzüge, Sigloch Edition 1995, 29,80 Mark;
Jutta Kürtz: Das Kochbuch aus Schleswig-Holstein.Verlag Wolfgang Hölker 1998, 29,80 Mark;
GertrudScharbau-Seehusen/Henning Seehusen: Feine Küche zwischen Nord- undOstsee, Christians Verlag 1998, 45 Mark;
JosefThaller: Die schleswig-holsteinische und die Hamburger Meisterküche,Hugo Matthaes 1993, 58 Mark.