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Porträt Porträt: Claudia Pechstein - Ehrgeizig, bodenständig und auch zickig

Von Frank Thomas 25.11.2009, 14:24

Berlin/dpa. - Im Training konnte sie sich quälen wie einst nurdie große Gunda Niemann-Stirnemann. Lange galt sie als eines dertypischen Produkte des DDR-Sports: Claudia Pechstein war immer danntopfit, wenn es darauf ankam. Nicht umsonst ist sie mit fünfOlympiasiegen und vier weiteren Medaillen die erfolgreichste Winter-Olympionikin Deutschlands. Auch Rekorde sammelte sie wie amFließband: Bis zu ihrer Sperre errang sie als einzige Athletin derWelt bei jeder Einzelstrecken-WM eine Medaille, stellte sechsWeltrekorde auf.

53 mal Edelmetall bei Olympia, Welt- und Europameisterschaftenerkämpfte die 37-jährige Berlinerin, die seit Jahren mit ihrem Mannin einem Einfamilien-Haus im brandenburgischen Diensdorf-Radlow amScharmützelsee lebt, in ihrer über 20 Jahre währenden Sportkarriere.Eine Bilanz, die keine andere Eisschnellläuferin aufweisen kann.

Pechsteins Laufbahn beginnt mit vier Jahren, als sie ihre Mutterzum regelmäßigen Eiskunstlaufen in die Berliner Eissporthalle nachHohenschönhausen mitnimmt. Sechs Jahre später wechselt sie die Kufen:Als Eisschnellläuferin geht sie den Weg über die Kinder- undJugendsportschule, die in der DDR übliche Talentesichtung bei«Spartakiaden» und ist schon im Junioren-Alter Weltspitze.

Mit 19 Jahren startet sie in ihrer Heimatstadt erstmals bei einemWeltcup und qualifiziert sich auf Anhieb für die EM 1991. Erstmals inden Fokus der Öffentlichkeit läuft sich Pechstein durch den Gewinnvon Olympia-Bronze in Albertville. Zwei Jahre später ist sie ganzoben angekommen: Bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammergelingt Pechstein über ihre Spezialdistanz von 5000 Metern auf derBahn in Hamar der Überraschungserfolg über Top-Favoritin GundaNiemann. Auch bei der ersten Einzelstrecken-WM 1996 steht sie angleicher Stelle zwei Jahre später auf dem höchsten Treppchen desSiegerpodests. Insgesamt fünf weitere WM- und drei EM-Titel folgen inden kommenden zwölf Jahren.

Ihre Sternstunde erlebt Claudia Pechstein im Februar 2002 in SaltLake City: Mit dem dritten Olympia-Gold über 5000 Meter und demerstmaligen Gewinn der 3000 Meter - beide Strecken inWeltrekordzeiten - krönt sie sich mit nunmehr insgesamt vierOlympia-Triumphen zur erfolgreichsten deutschen Winter-Olympionikinund sticht dabei auch die Erzrivalin Anni Friesinger aus.

Der «Zickenkrieg» zwischen den beiden deutschen Top-Läuferinnenbeschäftigt über Jahre die Eisschnelllauf-Welt. Über die Mediengreifen sich die Stars ständig gegenseitig an und scheffelnAufmerksamkeit, die beiden später Werbe-Millionen in die Taschenspült wie noch nie einem deutschen Athleten der RandsportartEisschnelllauf. Von «Claudia Goldstein» schreiben die Zeitungen,nachdem Pechstein mit einer schwarz-rot-goldenen Perücke ihreEhrenrunden im Olympic Oval von Salt Lake City dreht.

Nach dem fünften Olympiasieg 2006 - diesmal in der Team-Verfolgungsogar gemeinsam mit Friesinger - wird es ruhiger um Pechstein.Nachdem ihr langjähriger Coach Joachim Franke in Pension geht und imdeutschen Verband eine Zentralisierung der Trainingsgruppen bei Damenund Herren erfolgt, schließt sich die Berlinerin der norwegischenAuswahl unter Führung von Trainer Peter Mueller an. Doch vierte undfünfte Plätze stellen sie nicht zufrieden.

Als «Wiedergeburt» wird daher der Weltcup in Moskau im November2008 angesehen, als Pechstein plötzlich mit Traumzeiten über 1500 und5000 Meter für Aufsehen sorgt. Konkurrenten werden durch diese Zeitenstutzig und streuen hinter vorgehaltener Hand Gerüchte, dass dieLeistungen von einer 36-Jährigen nicht unter regulären Bedingungenzustande gekommen sein könnten. Diese Leistungssteigerung untermauertPechstein mit ihrem triumphalen dritten EM-Erfolg in Heerenveen: Mit36 Jahren ist sie die älteste Europameisterin der EM-Geschichte. DieSpekulationen um ihren Leistungsschub gehen weiter, bis sie wenigeWochen später wegen erhöhter Werte aus dem Verkehr gezogen wird.