Polizeiruf 110: Rosis Baby
Hamburg/dpa. - Juliana Götze wurde nur böse, wenn jemand von «behindert» oder «Mongo» sprach. Sie hatte nur Angst bei den Szenen im Krankenhaus, da sie dort einmal ihre Mutter als Patientin erlebt hatte. Und sie hatte eine seltsame Scheu, vor der Kamera zu trinken.
Sonst aber «hatte ich selten eine so völlig problemfreie, disziplinierte Darstellerin wie sie, absolut willig und textsicher», erzählt Andreas Kleinert, Regisseur des «Polizeiruf 110» an diesem Sonntag um 20.15 Uhr.
Die junge Schauspielerin mit Down-Syndrom brachte auch reichliche Erfahrung mit. Sie spielt am Berliner Behinderten-Theater «Ramba Zamba», wo Kleinert sie für die Hauptrolle des ARD-Krimis «Rosis Baby» entdeckte. «Na sauber - ein Mongo» hat Kommissar Tauber (Edgar Selge) laut Drehbuch zu sagen, als er Rosi bei den Ermittlungen zum ersten Mal sieht. Die 19 Jahre alte Rosi ist schwanger und ihre Mutter wurde erschlagen, als sie offenbar mit ihr auf dem Weg zu einer Abtreibungsklinik war.
Dürfen auch Behinderte ein erfülltes Sexualleben haben? Hat eine schwangere Behinderte ein Recht auf ihr Kind oder ist in diesem Fall eine Abtreibung die gnädigere Lösung? Das waren Fragen, die Kleinert und seine Autoren Matthias Pacht und Axel Buresch mehr interessierten als die übliche Jagd nach dem Täter. «Ich habe schon etliche Male Stoffe um Behinderte angeboten bekommen. Ich habe immer abgelehnt, weil sie mir zu vordergründig ans Mitleid zu appellieren schienen.» Hier «ging es mir vor allem um die Frage nach der Selbstverwirklichung eines solchen Menschen».
Die Darsteller der anderen Behinderten fand er in Behinderten-Werkstätten und erinnert sich an «äußerst fröhliche Dreharbeiten». An manches wie die Neigung der jungen Menschen, einen ständig anzufassen, zu umarmen, musste man sich eben gewöhnen, und als ihm einer erklärte, nach diesem Film unbedingt selber Regie führen zu wollen, «habe ich ihm ganz sachlich erklärt, das ginge wohl schlecht». Nur keine falsche Rücksichtnahme! Auch das war ein Gebot.
Zwei Szenen dürften recht heftig an die Toleranzgrenze vieler Zuschauer gehen: ein Liebesakt zweier Behinderter fast bis zur letzten Konsequenz und der Augenblick, da eine Abtreibung fast in Nahaufnahme gezeigt wird. Kleinert steht dafür ein: «Jede erotische Szene ist erlaubt, wenn sie nicht nur den Zuschauer "anmachen" soll. Und bei der Abtreibung zeige ich nur die realistische Folge aus der oft so leichthin aufgestellten Forderung nach Abtreibung, während sich die Mutter schon auf ihr Baby gefreut hat. Das ist für mich kein irgendwie schockierender, sondern erschütternder Moment.»
Für das bayerische «Polizeiruf 110»-Gespann Michaela May und Edgar Selge ist es ihr 23. und zugleich vorletzter gemeinsamer Auftritt. Ein letzter folgt 2009, sinnigerweise mit dem Titel «Endspiel».