1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Otto Rehhagel: Otto Rehhagel: Der demokratische Diktator im Trainingsanzug wird 70

Otto Rehhagel Otto Rehhagel: Der demokratische Diktator im Trainingsanzug wird 70

Von Thomas Prüfer und Takis Tsafos 06.08.2008, 14:51

Essen/Athen/dpa. - Und Antworten auf dieFrage, wann er denn aufzuhören und jüngeren Kollegen Platz zu machengedenke, weicht der Essener, dessen Vertrag als GriechenlandsNationalcoach erst kürzlich bis zur WM 2010 verlängert wurde, aus.«Ich bin in der Seele ein Idealist. Ich habe aber in meinem Lebengelernt, ein Realist zu sein», sagte Rehhagel dazu kürzlich. Feststeht, dass der demokratische Diktator im Trainingsanzug an diesemSamstag allen Grund zum Feiern hat, denn er wird runde 70 Jahre alt.

Mit Aussagen wie «Modern spielt, wer gewinnt» oder «Ich schätzees, wenn Fußballer verheiratet sind, denn die eigene Frau ist dasbeste Trainingslager» hat der Fußball-Lehrer Rehhagel nicht nureinmal für ein Schmunzeln gesorgt. Seine Kicker-Karriere zeitigteerst mit Verspätung Erfolge: Als beinharter Abwehrspieler bestrittder Rotschopf 201 Bundesliga-Spiele (22 Tore) für Hertha BSC und den1. FC Kaiserslautern, Trophäen aber holte er erst als Coach: MitWerder Bremen gewann der Erfinder der kontrollierten Offensive denEuropacup der Pokalsieger (1992) sowie je zwei Meisterschaften(1988/1993) und Pokalsiege (1991/1994), mit dem 1. FC Kaiserslauternals Aufsteiger den Meistertitel 1998. Der DFB-Pokalsieg 1980 mitFortuna Düsseldorf als erster Trainer-Coup steht für ihn ebenso zuBuche wie die bis heute höchste Niederlage der Liga-Geschichte: 0:12mit Borussia Dortmund bei Borussia Mönchengladbach (Saison 1977/78).

Seit dem September 2001 ist er in Griechenland, wo er spätestensseit dem sensationellen Gewinn des Europameistertitels als «Rehakles»vergöttert wird. Daran hat sich auch nach der «Entthronung» bei derEURO 2008, die für den Titelverteidiger nach drei bitteren Pleitenschon nach der Vorrunde beendet war, nicht viel geändert. Nun abermuss er im Land der Hellenen den sportlichen Neuaufbau vorantreiben.Verbandschef Vassilis Gagatsis, einer seiner größten Fürsprecher,ließ nach erster leiser Kritik an der Spielweise keine Zweifel daran,dass der gelernte Maler der richtige Mann für's Grobe dieser Aufgabesei. «Wir haben Bilanz gezogen: Er bleibt!» betonte der EPO-Präsidentund verlängerte den Trainer-Vertrag bis zur WM 2010 in Südafrika.

Die Griechen haben den «Oldie» seit dem EM-Sieg in Portugal insHerz geschlossen. Jeder im Land weiß: Ein solcher Triumph wird wohleinmalig bleiben. Entsprechend wurde der Deutsche 2004 gefeiert undals erster Ausländer «Grieche des Jahres», Welt-Nationaltrainer sowieEhrenbürger Athens. Nach der verpatzten EM 2008 bewies Rehhagel («Wirhaben nicht gesagt, dass wir ganz Europa schwindlig spielen»), dersich bis dato stets als alleinige Autorität gesehen hatte, dass erauch im hohen Traineralter offenbar für Neuerungen offen ist.

Künftig wird er mit einem im modernen Fußball üblichen erweitertenStab mit Co- und Torwart-Coach, einem Manager und Spionen zur Gegner-Beobachtung kooperieren - weiterhin mit ihm als Chef natürlich. BeimUmbruch steht seinen Schützlingen viel Arbeit und Schweiß bevor. Dennauch dies ist eine Maxime des mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse desVerdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnetenTrainers: «Mit Sprüchen wurde noch nie ein Fußballspiel gewonnen.»