Olympia/IOC Olympia/IOC: Vor der Zäsur der Skandal
Moskau/dpa. - Die Nachricht von Kims letztem Versuch, das Blatt für sich dochnoch zu wenden, schlug am Sonntagmittag wie ein Blitz in die IOC-Vollversammlung ein und kommt dem ohnehin als Favoriten gehandeltenRogge und dem kanadischen Mitbewerber Richard Pound (59) zu gute.«Wenn es wahr ist, dann ist das ein Fall für die Ethik-Kommission. Eswürde gegen sämtliche Regeln und gegen ihren Geist verstoßen», sagteder Schweizer Marc Hodler, der als Erster Ende 1998 denKorruptionsskandal um Salt Lake City öffentlich gemacht hatte. Einsolches Verhalten würde er «Bestechung» nennen. Der Norweger GerhardHeiberg sagte: «Ich weiß davon noch nicht. Doch wenn es sichbestätigt, wäre es eine Katastrophe für das IOC.»
Dass es wahr ist, hat Kim auch dem Onlineanbieter «FAZ.NET»bestätigt. «Mindestens» 50 000 Dollar (115 000 Mark) pro Jahr will erjedem Olympier als Aufwandsentschädigung zahlen. «Für mich ist dasnicht viel Geld. Aber es gibt Mitglieder, für die ist das viel Geld.»Man müsse ihnen «Prestige, Stolz, Status und Arbeit geben. UndUnterstützung für ihre Arbeit». Das benötigte Geld könne das IOCeinsparen, in dem es auf «Extravaganzen» verzichte.
Rogge wollte wie Pound «keinen Kommentar» abgeben. Wer von denMitgliedern Unterstützung für Kommunikationsmittel brauche, «dem sollgeholfen werden», sagte der Belgier. Der Ungar Pal Schmitt (59),neben der Amerikanerin Anita Defrantz (48) aussichtslos im Rennen umdie Präsidentschaft, meinte: «Unsere Spesen werden ersetzt. Darüberhinaus sind keine Mittel nötig.» Der deutsche Athleten-Vertreter imIOC, Roland Baar, distanzierte sich so: «Ich möchte mir meineUnabhängigkeit bewahren - mit meinen Mitteln.» Und der deutsche NOK-Präsident Walther Tröger kritisierte: «Es ist falsch, so etwasunmittelbar vor der Wahl zu sagen. So etwas gehört ins Wahlprogramm.»IOC-Vizepräsident Thomas Bach sprach von einem «nicht sonderlichgelungenen Versuch».
Kims Idee ist offenbar die Reaktion auf die Tatsache, dass seineAktien in Moskau mit der Wahl Pekings am Freitag zum Ort derOlympischen Spiele 2008 stark gefallen waren. «Die Spiele nach Asienund dazu noch der Chef aus Asien, das wird Europa nicht zulassen»,hatte ein IOC-Mitglied geäußert. Hodler weiß sogar von Olympiern, diePeking gewählt haben, «um Kim zu verhindern». Bevor die Ethik-Kommission des IOC den fünf Kandidaten vor drei Monaten einenMaulkorb verpasst hatte, um ein «Blutbad» zu verhindern, hatte Poundnoch gesagt: «Einen 70-jährigen zu wählen, das wäre das falscheSignal.» Gemeint hatte der geschätzte, aber ungeliebte Marketing-Chefdes IOC die Absenkung der Altersregel von 80 auf 70 Jahren, die alsZeichen der Erneuerung gedacht war, aber nur für Neu-Mitglieder gilt.
Doch Pounds Aussage bekommt nun aktuelle Aussagekraft. Kim, dersich vom Geheimdienstler unter südkoreanischen Diktatoren zum Beraterdes Friedensnobelpreisträgers und Staatschef Kim Dae Jung gewandeltund IOC-Kollegen schon mal «Hurensöhne» genannt hat, hat sich nunselbst aus dem Rennen genommen. Der in den USA ausgebildete Politikerist im Korruptionsskandal um Salt Lake City nur deshalb einem IOC-Ausschluss haarscharf entgangen, weil ihn eine New YorkerAnwaltskanzlei herausgepaukt hat. Angeblich hat Kim sen. von derVorteilsnahme seines Sohnes nichts gewusst.
Der verbindliche Rogge, den Kritiker allerdings eine zu großeGeschmeidigkeit vorwerfen, ist da von ganz anderer Beschaffenheit.Mit dem fünfsprachigen Belgier zöge ein Präsident in das LausannerChateau de Vidy, der sich im Sport als dreimaliger Olympia-Teilnehmerim Segeln und als Funktionär bestens auskennt. Seine Hausmacht sinddie europäischen Nationalen Olympischen Komitees (NOK), die er alsVorsitzender anführt.